Echokardiographie - Linksventrikuläre Strain-Analyse
Anja Lamprecht
Echokardiographie - Linksventrikuläre Strain-Analysevon Joscha Kandels und Ulrich Laufs, Leipzig Die Quantifizierung der Funktion des linken Ventrikels ist aufgrund ihrer prognostischen und therapeutischen Bedeutung eine zentrale Fragestellung der Echokardiographie. Die Kontraktion des linken Ventrikels kann aufgrund des zirkulären Verlaufes der Myozyten mit der Auswringbewegung eines Handtuches verglichen werden. Diese dreidimensionale Kontraktionsbewegung wird durch eine Strain-Analyse besser als durch planimetrische Analysen abgebildet. Strain bezeichnet allgemein die Deformation eines physikalischen Körpers, in dem man eine prozentuale Veränderung des Ausgangszustandes im weiteren Verlauf beschreibt. Er beschreibt die Deformation, d. h. die Verkürzung bzw. die Verdickung, eines myokardialen Segmentes. Für den linken Ventrikel entspricht der Ausgangszustand dem maximalen Füllungszustand zum Zeitpunkt der Enddiastole, der in der Regel mit dem Zustand bzw. der Deformation nach maximalem Auswurf am Ende der Systole verglichen wird. Der myokardiale Strain ist eine dimensionslose Größe und wird in Prozent angegeben. Die Berechnung erfolgt nach der Formel (Länge[enddiast.] – Länge[endsyst.]) / Länge[enddiast.]). Ein negatives Vorzeichen bezeichnet eine Kontraktion oder Verdünnung, ein positives Vorzeichen eine Dilatation oder Verdickung des Myokards. Die Analyse der linksventrikulären (LV) Deformation stellt ein Maß für die globale und regionale Kontraktion des linken Ventrikels dar. Die linksventrikuläre Kontraktionsbewegung lässt sich in drei Komponenten aufteilen: eine longitudinale Kontraktion in Ventrikellängsachse, eine zirkumferenzielle Kontraktion (tangentiale Verkürzung im Querschnitt entsprechend einer Verkleinerung des Ventrikeldurchmessers in der kurzen Achse) und eine radiale Kontraktion (Verdickung des Myokards während der Kontraktion in der kurzen Achse). Da der globale LV-Strain (GLS) in drei verschiedenen Ebenen technisch einfach bei guter Bildqualität bestimmt werden kann, spielt er eine zunehmende Rolle in der echokardiographischen Beurteilung der systolischen LV-Funktion. Im Vergleich zur konventionellen Beurteilung der systolischen LV-Funktion durch die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) konnte gezeigt werden, dass der GLS reproduzierbarere Ergebnisse liefert und weniger untersucherabhängig ist. Zudem ist die Methodik relativ einfach zu erlernen, da bereits nach 50 Anwendungen der LV-Strain-Analyse eine Expert Competency zu erreichen ist [1, 2]. Erstmalig definiert wurde der Begriff Strain 1973 von Mirsky et al. als systolische Verformung einer Herzmuskelzelle unter Stress [3]. Die Strain-Analysen in der Echokardiographie beruhen auf der digitalen Nachverfolgung von kardialen Reflexionsmustern, den sogenannten Speckles, die als digitaler „Fingerabdruck“ von einer Software gespeichert und über den gesamten Herzzyklus verfolgt werden. Über eine Mustererkennung werden die Bewegungsvektoren der Speckles generiert. Anschließend werden diese Vektoren auf Plausibilität mittels spezieller Algorithmen segmental überprüft. Die automatisch detektierten regionalen Deformationsmuster dienen zur Analyse der globalen, aber auch regionalen LV-Kontraktion. Da die Speckles die Basis dieses Verfahrens darstellen, spricht man auch von Speckle-Tracking. Der konventionelle LV-Strain ist die Differenz der longitudinalen Deformation zwischen diastolischem und systolischem Zustand. Aufgrund der Verkleinerung der Längsachse zwischen Diastole und Systole ist dieser Wert ein negativer Prozentwert. Der Normalbereich des GLS liegt bei Werten kleiner –17 % [4]. Neben der globalen Analyse der LV-Deformation können aus dem Muster der regionalen LV-Strain-Analyse territoriale Einschränkungen der LV-Kontraktilität erfasst werden. Damit ist das LV-Speckle-Tracking prädestiniert zur Darstellung von ischämiebedingten regionalen Kinetikstörungen sowohl in Ruhe als auch unter Stress [5–7] sowie von speziellen kardialen Erkrankungen mit Einschränkungen der LV-Funktion. Koronare Herzerkrankung Regionale Kinetikstörungen des linken Ventrikels können in den sogenannten Bulls-Eye-Darstellungen gut verständlich dokumentiert werden. Durch die schematische Einzeichnung des rechten Ventrikels werden die LV-Regionen eindeutig festgelegt und zusätzlich in basale (äußerer Ring), mittige (mittlerer Ring) und apikale (innerer Bereich des Bulls Eye) Segmente eingeteilt. Abbildung 1 zeigt Beispiele für einen Herzspitzeninfarkt mit Beteiligung der Vorderwand, für einen Hinterwand- und einen Seitenwandinfarkt. Weitere Anwendungsbereiche der LV-Strain-Analyse Früherkennung linksventrikulärer Kontraktionsstörungen Die Fortschritte in der Behandlung von Patienten mit Tumorerkrankungen haben zu einer verbesserten Überlebensrate dieser Patienten geführt. Leider können verschiedene Chemotherapeutika (z. B. Anthrazykline, Trastuzumab, auch Checkpoint-Inhibitoren) mit einer Kardiotoxizität assoziiert sein. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass bereits signifikante GLS-Reduktionen eine subklinische kardiotoxische Schädigung vor einer Einschränkung der LVEF erfassen können. Damit können diese Patienten früher einer kardioprotektiven Therapie zugeführt bzw. ein besseres Monitoring der Folgen einer Kardiotoxizität sowie deren Therapie durchgeführt werden [8] (Abb. 2). Detektion von Speichererkrankungen (z. B. einer kardialen Amyloidose) Das in der Regel nachweisbare echokardiographische Korrelat von Speichererkrankungen ist eine linksventrikuläre Wandverdickung mit körniger Myokardtextur, die nicht einer Muskelhypertrophie, sondern der Einlagerung von pathologischen Proteinen im Myokard entspricht. Während diese Wandverdickung allgemein ein nicht sehr spezifisches diagnostisches Kriterium darstellt (eine LV-Hypertrophie ist ebenfalls bei der hypertensiven Herzerkrankung oder der hypertrophen Kardiomyopathie zu beobachten), zeigen die funktionellen Auswirkungen dieser myokardialen Gewebeveränderungen (insbesondere bei der kardialen Amyloidose) ein charakteristisches Muster. Daher sind LV-Strain-Analysen – insbesondere in der Diagnostik einer kardialen Amyloidose – von Nutzen. Die longitudinale Deformation ist in den apikalen Segmenten typischerweise besser erhalten als in den basalen Segmenten. Man bezeichnet dieses Phänomen als apical sparing [9]. Diagnostik eines Tako-Tsubo-Syndroms Das Tako-Tsubo-Syndrom (TTS, Syn.: Stress-induzierte Kardiomyopathie) zeigt ebenfalls ein charakteristisches Muster der LV-Deformation. Bei dieser – überwiegend weibliche Patienten in der Postmenopause betreffenden – Erkrankung ähnelt die Symptomatik dem eines akuten Koronarsyndroms. Neben EKG-Veränderungen ist in der Regel auch ein Anstieg der kardialen Biomarker (z. B. kardiales Troponin T, CK-MB) zu beobachten. Koronarangiographisch lassen im Falle einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie keine signifikanten Koronarstenosen nachweisen. Diagnostisch zeigen sich jedoch bei der typischen Tako-Tsubo-Kardiomyopathie echokardiographisch charakteristische apikale LV-Kinetikstörungen. Diese Kinetikstörungen betreffen alle Versorgungsgebiete der Koronararterien, die dem Bild des apical ballooning entsprechen. Es gibt jedoch auch selten atypische bzw. inverse Formen der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie [10]. Fazit Ergänzend zur konventionellen Bestimmung der LVEF liefert der LV-Strain sowohl diagnostisch als auch prognostisch wertvolle Informationen. Mit Hilfe der LV-Strain-Analyse können Erkrankungen des linken Ventrikels besser als mit konventionellen Methoden differenziert werden. Es können frühzeitiger klinische Entscheidungen getroffen und therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. ReferenzenChan J, Shiino K, Obonyo NG et al. Left ventricular global strain analysis by two-dimensional speckle-tracking echocardiography: the learning curve. J Am Soc Echocardiogr 2017; 30(11): 1081–90.Karlsen S, Dahlslett T, Grenne B et al. 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Ulrich Laufsulrich.laufs@medizin.uni-leipzig.de aus connexiplus 3-2021 Kardiorenale Achse Interdisziplinär TITELBILD Copyright: Science Photo Library, Shutterstock/3DStock, Shutterstock/SciePro. Gestaltung: Jens Vogelsang