SGLT2-Inhibitoren öffnen eine Tür zur Therapie des kardiorenalen Syndroms
Anja Lamprecht
Kardiorenales Syndrom - Neue Therapieoption mit SGLT2-Inhibitioren von Ole Curth, Paulina Dißmann, Rüdiger Dißmann und Mark Luedde Patienten, die gleichzeitig an einer Herzinsuffizienz (HF) und einer chronischen Nierenfunktionseinschränkung (CKD), einem sogenannten kardiorenalen Syndrom (CRS) leiden, haben ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Eine gute Therapie sollte deshalb beide Organsysteme gleichrangig berücksichtigen. Gelang das mit bislang verfügbaren Substanzen nur in geringem Maße, eröffnete sich mit den SGLT2-Inhibitoren (SGLTi), einer ursprünglich antidiabetischen Therapie, eine neue vielversprechende therapeutische Option mit kardio- und nephroprotektiven Effekten. Die Herzinsuffizienz ist in Deutschland mittlerweile die häufigste Ursache für eine Krankenhausbehandlung [1]. Die Prävalenz der HF in Deutschland liegt bei 3,43 % der gesetzlich Versicherten, bei kontinuierlichem Anstieg durch eine zunehmende Lebenserwartung und verbesserte Therapiemöglichkeiten [2]. Eine Meta-Analyse von 2014 ergab, dass bei etwa 49 % der herzinsuffizienten Patienten zusätzlich eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) vorliegt. Die CKD wurde dabei in der Mehrzahl der analysierten Studien durch eine glomeruläre Fitrationsrate (eGFR) <60 ml/min/1,73 m² definiert [3]. Dieses gleichzeitige Vorliegen einer Einschränkung der Herz- und Nierenfunktion wird durch den Begriff „kardiorenales Syndrom“ (CRS) beschrieben. Dabei ist der enge Zusammenhang der beiden Organsysteme schon lange bekannt, die genauen Pathomechanismen sind jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Therapie-Möglichkeiten In einer aktuellen multinationalen Kohortenstudie konnte gezeigt werden, dass sowohl die HF als auch die CKD für sich allein genommen mit einer erhöhten kardiovaskulären und Gesamtmortalität einhergehen, die Kombination beider Erkrankungen, im Sinne eines CRS, jedoch das größte Risiko darstellt [4]. Eine gute HF-Therapie sollte daher beide Organsysteme gleichrangig berücksichtigen. Eine entscheidende Stellschraube in der Interaktion ist das optimale, durch Diuretika einstellbare Flüssigkeitsniveau im Zusammenspiel zwischen prä- und postglomerulärem Druck. Sowohl zu wenig Flüssigkeit mit reduziertem präglomerulärem Bluteinstrom als auch zu viel Flüssigkeit mit konsekutiver Erhöhung des postkapillären venösen Drucks reduzieren den transglomerulären Gradienten und damit die eGFR. Eine progrediente Niereninsuffizienz wurde bislang medikamentös prognostisch mit ACE-Hemmern (ACE-H) und Angiotensinrezeptorblockern (ARB) therapiert [5, 6]. Daneben sprechen aktuelle Daten auch für die additive Wirksamkeit von Mineralkorticoidrezeptorantagonisten (MRA) wie Finerenone [7]. Diese positiven Effekte der drei Substanzklassen auf den renalen Verlauf sind überwiegend bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) und Proteinurie bzw. Mikroalbuminurie untersucht.Fortschritte bei der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz konnten bisher nur für die Patienten mit HFrEF erreicht werden. Zur Therapie stehen hier neben ACE-H (alternativ ARB), Betablocker und MRA zur Verfügung. Die Einführung von Sacubitril/Valsartan (ARNI) war ein zusätzlicher Fortschritt in der Therapie der HF mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF). Bei der großen HF-Gruppe mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF), konnte ein klarer Nutzen von ARNI, wie bisher auch bei allen genannten Medikamenten (BB, ARB, ACE-H, MRA) nicht gezeigt werden [8]. SGLT2–Inhibitoren – Eine neue Behandlungsmöglichkeit In den letzten Jahren eröffnete eine ursprünglich antidiabetische Therapie mit SGLT2-Inhibitoren (SGLTi) eine neue Option für die Behandlung der HF. In der EMPA-REG-OUTCOME-Studie wurde bereits 2015 nachgewiesen, dass Patienten mit T2D, die Empagliflozin erhielten, im Vergleich zu Placebo eine deutlich niedrigere Rate an kardiovaskulären Ergebnissen und Tod jeglicher Ursache hatten [9]. In der EMPEROR-Reduced [10] bzw. in der DAPA-HF-Studie [11] zeigte sich, dass Empagliflozin bzw. Dapagliflozin jeweils 10 mg/d, auch unabhängig vom Vorliegen eines T2D, den Endpunkt kardiovaskulärer Tod sowie Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz im Vergleich zu Placebo signifikant verbessern. In der DAPA-HF-Studie fand sich zusätzlich eine Reduktion der Gesamtmortalität um 18 %. Alle Effekte wurden überwiegend bei den Patienten mit milder Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II erreicht. In beiden HF-Studien konnte in Subanalysen zusätzlich bei den mit SGLT2i behandelten Patienten eine geringere jährliche Abnahme der Nierenfunktion nachgewiesen werden [10]. Im letzten Jahr wurde daraufhin in der DAPA-CKD-Studie placebokontrolliert der Einsatz von Dapagliflozin bei Patienten mit Niereninsuffizienz verschiedener Ursache und Proteinurie überprüft [12]. Der primäre Endpunkt, Endstadium einer Nierenerkrankung (Dialyse/Transplantation) oder Tod aufgrund von renaler oder kardiovaskulärer Ursache, wurde in der Dapagliflozin-Gruppe mit 9,2 % gegenüber der Placebo-Gruppe mit 14,5 % (Hazard Ratio, 0,61; 95 % Konfidenzintervall [KI], 0,51 bis 0,72; P<0,001; NNT 19) um 39 % deutlich verbessert [12, 13]. Renaler Wirkmechanismus der SGLT2-Inhibitoren Die genauen pathophysiologischen Hintergründe der Wirkung der SGLT2i sind nun Gegenstand der Forschung, wobei verschiedene positive Effekte diskutiert werden. SGLT2 ist ein Natrium-Glukose-Cotransporter im proximalen Tubulus, der für 90 % der renalen Glucose-Rückresorption verantwortlich ist [14]. Neben Glucose wird zusätzlich noch Natrium rückresorbiert. Wesentlicher Wirkmechanismus der SGLT2i ist daher eine reduzierte Glukose- und Natriumrückresorption mit zusätzlichem diuretischem Effekt durch osmotisch bedingte Wasserausscheidung. Aufgrund der verminderten Natrium-Reabsorption steigt die Natrium-Konzentration an der Macula densa an. Dies führt zu einer Vasokonstriktion des Vas afferens und somit zu einer Abnahme des intraglomerulären Drucks und der Hyperfiltration. Hierdurch wird der fibrotische Umbau reduziert – SGLT2i wirken nephroprotektiv [15]. Der Mechanismus ist ähnlich zu den ACE-H und ARB, welche eine Vasodilatation des Vas efferens und somit ebenfalls eine Senkung des intraglomerulären Drucks bewirken. Sowohl die SGLT2i als auch die ACE-H und ARBs können durch Abnahme des Filtrationsdrucks daher initial zu einem Abfall der eGFR führen. Dabei ist es ein wichtiger positiver Aspekt, dass es unter der Therapie mit SGLT2i nicht zu vermehrten Hyper- oder Hypokaliämien kommt, was die Kombination mit ACE-H/ARBs erleichtert [16]. Für den Kliniker sind die Kontrolle der Laborwerte und die individuelle Einschätzung bei Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion, d. h. einer Ausgangs-eGFR von 25−60 ml/min/1,73 m² wichtig. Obwohl zuletzt Zweifel an dem oben geschilderten renalen Pathomechanismus der SGLT2i, insbesondere für Nichtdiabetiker geäußert wurden [17, 18], wirken beide Medikamentengruppen (SGLT2i und ACE-H/ARB) hier möglicherweise synergistisch und könnten nach dem initialen Abfall der eGFR im Langzeiteffekt additiv zu einer deutlichen Protektion der Nierenfunktion im weiteren Verlauf führen [12, 19, 20]. Effekte und Nebenwirkungen von SGLT2-Inhibitoren Neben diesen renal ausgelösten Mechanismen mit vermehrter Diurese und Nephroprotektion sind zahlreiche weitere Effekte der SGLT2i Therapie bekannt, deren individuelle Bedeutung für die therapeutischen Effekte auf Herz- und Niereninsuffizienz noch nicht klar abschätzbar sind. So konnten ein Abfall der Blutdruckwerte, eine Reduktion der LV-Hypertrophie, eine Gewichtsabnahme, ein Abfall der Harnsäurespiegel [21] sowie günstige Effekte auf die endothelialen Progenitorzellen [22] beobachtet werden. Diskutiert wird außerdem ein verbessertes Angebot von Energiesubstrat für das Herz über den SGLT2i-induzierten Anstieg von Ketonkörpern. Die Therapie mit SGLTi zeigte einen signifikanten Anstieg der Hämoglobin-Werte, was auf ansteigende Eryhtropoetin-Spiegel zurückgeführt wird [23]. Die Therapie mit SGLT2i ist im Allgemeinen gut verträglich. Initial müssen, insbesondere bei Patienten mit bereits reduzierter eGFR, Veränderungen des Kreatininwertes und der Elektrolyte kontrolliert werden. Das durch Glucosurie bedingte vermehrte Auftreten von Urogenitalinfektionen, vorwiegend bei Frauen, sowie eine leicht vermehrte Neigung zur euglykämischer Ketoazidose bei gleichzeitiger Insulintherapie sind die wesentlichen Nebenwirkungen [24]. Diese führen aber selten zum Absetzen der Therapie [19]. SGLT2i − zukünftige Therapieoption bei HFpEF-Patienten? Unklar ist aktuell noch die Wirkung von SGLT2i bei der großen Gruppe von Patienten mit HFpEF, die mindestens ein Drittel der HF-Population umfasst. Für diese Patienten liegt aktuell neben der symptomatisch orientierten diuretischen Therapie noch keine prognostisch wirksame Therapieoption vor. Pathophysiologische Überlegungen sowie erste Studienergebnisse, z. B. aus der vorzeitig abgebrochenen Untergruppe der SOLOIST-Studie [22] legen einen hoffnungsvollen Therapieeinsatz nahe. Noch in diesem Jahr werden die Ergebnisse großer Outcome-Studien, wie EMPEROR-Preserved und DELIVER, für diese Fragestellung erwartet. Fazit Sowohl kardiologische als auch renale Endpunkte werden bei Patienten mit Herzinsuffizienz unter Therapie mit SGLT2i positiv beeinflusst. Die aktuellen Studien zeigen eine Verbesserung sowohl klinischer als auch harter Endpunkte wie Mortalität bei HF Patienten mit und ohne Typ-2-Diabetes. Mittlerweile ist Dapagliflozin als Medikation zur Behandlung der HFrEF auch unabhängig vom Vorliegen eines T2D zugelassen. Daneben verbessern SGLT2i auch die Progredienz der Niereninsuffizienz in der HF Population. In aktuellen Guidelines sind diese Erkenntnisse überwiegend noch nicht umgesetzt. Es wird für die auf dem unmittelbar anstehenden Kongress der „European Heart Failure Association“ zu erwartenden neuen Leilinien zur Therapie der Herzinsuffizienz mit einer deutlichen Aufwertung der SGLT2-Inhibitoren zur Therapie von HFrEF gerechnet. Eine neue Indikation zur Prävention kardiovaskulärer Endpunkte bei Niereninsuffizienz erscheint aufgrund neuer Daten mittelfristig denkbar. Es fehlen aktuell noch ausreichende Daten zur Therapie bei Patienten mit HFpEF. Die SGLT2i öffnen jedoch insgesamt eine neue Tür zur Therapie des kardiorenalen Syndroms. LiteraturChrist M et al. Heart failure epidemiology 2000−2013: Insights from the German Federal Health Monitoring System. Eur J Heart Fail 2016;18(8):1009−1018.Holstiege J et al. Higher prevalence of heart failure in rural regions: A population-based study covering 87 % of German inhabitants. Clin Res Cardiol 2019;108(10):1102−1106.Damman K et al. Worsening renal function and outcome in heart failure patients with preserved ejection fraction and the impact of angiotensin receptor blocker treatment. J Am Coll Cardiol 2014;64(11):1106−1113.Birkeland KI et al. Heart failure and chronic kidney disease manifestation and mortality risk associations in type 2 diabetes: A large multinational cohort study. Diabetes Obes Metab 2020;22(9):1607−1618.Hou FF et al. Efficacy and safety of benazepril for advanced chronic renal insufficiency. N Engl J Med 2006;354(2):131−140.Ruggenenti P et al. 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