Wo tut’s weh?
pascal lehwark
von Michael Kaplan, Edinburgh Viele Aspekte des menschlichen Verhaltens sind nach wie vor nicht hinreichend zu erklären – eine Tatsache, die Forscher immer wieder frustriert. Schon die alten Griechen machten sich Gedanken darüber, wie sich Vernunft und blinde Leidenschaft vereinbaren lassen könnten, und selbst heute suchen die Philosophen noch nach einer sinnvollen Definition des Begriffes „Bewusstsein“. Die Biowissenschaft versucht die selektiven Vorteile zu beschreiben, die durch bestimmte menschliche Aktionen und Reaktionen entstehen – und doch bleiben der Mensch und sein Verhalten zu einem beschämend hohen Grad immer noch ein Geheimnis. Der Schmerz allerdings schien schon immer eindeutig und leicht erklärbar zu sein. Sein Zweck – uns davon abzuhalten, Dinge zu tun, die uns schaden – war bereits den Menschen in der Antike so klar, dass der Philosoph Epikur seine gesamte Lehre auf diesem Konzept aufbaute. Auch der allgemeine Mechanismus der Schmerzwahrnehmung schien geklärt, nachdem René Descartes die Idee vom Gehirn als „Wächter“ der sensorischen Signale aufgebracht hatte: die peripheren Nerven senden ihre Signale über das Zentralnervensystem an „Schmerzzentren“ im Gehirn, die dann ihrerseits das Leiden auslösen, also das bewusste Erleben eines unangenehmen Reizes. Wir fühlen gleichzeitig und ganz automatisch die Tatsache einer Störung in unserem Körper und die Wahrnehmung, dass diese Störung unser Wohlbefinden bedroht. Dieses bewusste Erleben wird dann auch unser zukünftiges Handeln beeinflussen: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Wie so oft in der Wissenschaft können wir dann am meisten über einen Mechanismus lernen, wenn er nicht funktioniert. Bei Lepra-Patienten sind die peripheren Nerven geschädigt und können nicht einmal bei schweren Verletzungen eine Warnung senden. Läsionen am Rückenmark können dazu führen, dass ganze Körperpartien keinerlei Schmerz mehr empfinden – oder noch schlimmer, dass Phantomschmerzen auftreten. Die schrecklichen Verletzungen bei Menschen, die von Geburt an keinen Schmerz wahrnehmen können, zeigen uns, wie unglaublich wichtig eine normale Schmerzempfindung für unser Überleben ist. Nach einem Schlaganfall berichten manche Patienten über hochspezifische, aber scheinbar völlig irrationale Schmerzphänomene – etwa ein Brennen in den Gliedmaßen nur dann, wenn diese sich im Gesichtsfeld des Patienten befinden und sich eine andere Person nähert. Je mehr wir über den Schmerz lernen, desto komplizierter erscheint uns das ursprünglich so einfache Erklärungsmodell. Auf welcher Ebene liegt die Trennlinie zwischen der Schmerzwahrnehmung und anderen Aktivitäten des Gehirns? Auf der somatosensorischen Ebene? Auf der kognitiven Ebene? oder Auf der Motivationsebene? Die Lösung erfahren Sie in unserem Rätselarchiv unter der Nr. 1503. Autor: Michael Kaplan m.s.e.kaplan@btinternet.com aus connexi 3-2015 4. bis 7. März 2015 Frankfurt am Main 26. Deutscher Schmerz- und Palliativkongress Kongressbericht