Ein Stich nach dem anderen
pascal lehwark
Ein Stich nach dem anderen von Michael Kaplan, Edinburgh Lesen Sie hier die jüngste Geschichte aus unserer Reihe The Story Behind® Arts and Sciences: Nierenerkrankungen sind schon seit der Antike bekannt, und auch die Idee der Transplantation ist alles andere als neu: Susruta, der große indische Pionier der Chirurgie, beschrieb schon um das Jahr 600 Techniken zur Haut-Transplantation, die noch heute Verwendung finden. Sobald die Niere als Ort verschiedener Krankheiten identifiziert war, deren Symptome sich im Urin – oder in der Abwesenheit von Urin – zeigten, war die Idee, das kranke Organ durch ein gesundes zu ersetzen, der logische nächste Schritt. Immerhin ist die Niere kompakt und klar abgegrenzt und hat nur drei Verbindungsstellen zum Rest des Körpers: Eine Arterie, eine Vene und den Ureter. Konnte es also so schwierig sein, eine Niere zu transplantieren? Wie wir alle wissen: Ja, es konnte. Es ist sogar sehr schwierig. Aber die scheinbare Leichtigkeit hat viele medizinische und chirurgische Talente dazu bewogen, den Versuch zu wagen. Nierenerkrankungen im Endstadium bieten nicht mehr viele Behandlungsmöglichkeiten – das war ein stetiger Ansporn zur Innovation. Die erste Herausforderung war vom Konzept her sehr einfach, aber in der Durchführung viel, viel schwieriger als gedacht. Ja, die Niere hat nur drei Verbindungsstellen, aber diese Stellen wirklich zu verbinden, ist ein großes Problem. Ein Blutgefäß wie die Nierenarterie so anzuschließen, dass sie sofort wieder Blut führen kann und dabei dem Blutdruck standhält, ohne Leckagen, ohne zu kollabieren oder zu verstopfen und ohne Infektionen zu setzen – Gewebe, das weniger als einen halben Millimeter dick ist, mit winzigen, aber präzisen Stichen zu vernähen, und das Ganze auch noch in der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, bevor das Spenderorgan versagt … das ist nun wirklich kein Kinderspiel. Dass es überhaupt möglich wurde, verdanken wir einem schwierigen und geheimnisvollen Mann, der Biologe und gleichzeitig ein unglaublich geschickter Chirurg war: Alexis Carrel aus Lyon. 1912 erhielt er den Nobelpreis für seine Arbeit zur Anastomosierung von Blutgefäßen. Sein Nahtmaterial bestand aus vaselinegetränkter Seide. Er verband die Gefäße mit einer innovativen fortlaufenden Naht, die die Gefäße offen hielt und Thrombosen verhinderte. Diese Carrelsche Gefäßnahttechnik hat in zwei Weltkriegen vielen schwer verwundeten Soldaten das Leben gerettet, sie hat die nachfolgenden Experimente mit der Transplantation von Organen überhaupt erst möglich gemacht, und sie wird heute noch verwendet. Welchen Vorteil hatte Carrel gegenüber seinen Vorgängern? 1. seinen Geburtsort? 2. seine Sehkraft? oder 3. seine musikalische Ausbildung? Raten Sie mit und gewinnen Sie ein Buch über Wissenschafts- und Medizingeschichte. Zu diesem aktuellen Rätsel Nr. 1603 sowie unserem Rätselarchiv gelangen Sie hier. Bild: SEM close-up view of Spanish Moon Moth (Graellsia isabellae) cocoon silk fibers at 105x magnification Copyright: mauritius images / Minden Pictures / Albert Lleal (farblich verändert) Autor: Michael Kaplan, Edinurgh m.s.e.kaplan@btinternet.com Übersetzung: Dr. med. Friederike Günther aus connexi 3-2016 September bis Oktober 2015 DGfN, ESOT und DTG 2015 Konferenzberichte