SGLT2-Inhibition
Was kann für die diabetische Nierenerkrankung noch von der SGLT2-Hemmung erwartet werden? von Christoph Wanner, Würzburg Für alle überraschend wurden nach mehr als 15 Jahren fehlender Innovationen für makro- und mikrovaskuläre Progressionsverzögerung zuerst die überzeugenden Effekte auf kardiovaskuläre Endpunkte, kardialen Tod und Gesamtmortalität nach Therapie kardiovaskulär kranker Typ-2-Diabetiker mit Empagliflozin publiziert [1]. Ein Jahr später folgten dann die Daten für die Reduktion des sekundären renalen Endpunkts [2]. Dieser in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie präspezifizierte Endpunkt wurde als ‚Neuauftreten einer Nephropathie‘ bezeichnet und reduzierte sich hochsignifikant um 39 Prozent. Der Endpunkt war zusammengesetzt aus (i) Neuauftreten einer Makroalbuminurie, (ii) Verdoppelung des Serum-Kreatinins, (iii) Beginn einer Nierenersatztherapie (Dialyse) oder (iv) Tod aufgrund der Nierenerkrankung. Neuauftreten einer Nephropathie wurde hauptsächlich durch die Makroalbuminurie bestimmt (–38 %). Dennoch entwickelten 130 Patienten eine Verdoppelung des Serumkreatinins mit einer Verringerung durch Empagliflozin-Therapie von 44 %. Das Dialysestadium erreichten 27 Patienten, und hier wurde die Rate mehr als halbiert (–55 %). All diese Effekte wurden zusätzlich zu einer ACE/ARB-Therapie erzielt, und es stellte sich die Frage, ob diese Effekte wirklich als real bezeichnet werden können, handelte es sich doch um einen sekundären Endpunkt, der statistisch und in seiner Bestätigung anders behandelt wird als der primäre Endpunkt. Die gute Nachricht kam dann 2017, als das CANVAS-Studienprogramm (CANagliflozin cardioVascular Assessment Study-Renal endpoints) publiziert wurde [3]. Diese Ergebnisse, auch wenn der sekundäre Nierenendpunkt etwas anders zusammengesetzt wurde (40 % Abfall der eGFR anstatt 57 % in EMPA-REG Outcome), sehen hinsichtlich der Progressionsverzögerung der diabetischen Nierenerkrankung nahezu identisch aus. Somit sind wir insgesamt auch „erleichtert“, dass die Ergebnisse der EMPA-REG-Outcome-Studie ein Jahr später mit Canagliflozin bestätigt werden konnten. In dieser Übersicht betrachten wir nur die Effekte der Therapie; die Nebenwirkungen müssen getrennt betrachtet werden, denn diese unterscheiden sich, was die Amputationsrate unter Canagliflozin betrifft, in den Studien. Veränderung der glomerulären Hämodynamik Was können wir in Zukunft noch erwarten in Anbetracht dieses bestätigten Ergebnisses und der großen Erwartung in die Verzögerung der Dialysepflichtigkeit. Zum einen benötigen wir Studien, die uns zeigen, dass SGLT2-Inhibitoren auch eine Wirkung im Bereich eGFR unter 60 ml/min/1,73m2 besitzen, zum anderen müssen diese Studien die Niere im primären Endpunkt haben. Diese Studien laufen bzw. haben begonnen und die CREDENCE-Studie wird ca. 2019 Ergebnisse präsentieren für Typ-2-Diabetiker mit einer eGFR >30 ml/min/1,73m2. Bereits EMPA-REG Outcome und CANVAS legen nahe, dass die SGLT2-Hemmer auch Ihre Wirkung in diesem Bereich der diabetischen Nierenerkrankung entfalten [4]. Unsere Hypothesen zur Wirkung der SGLT2-Inhibitoren bauen sich auf der Veränderung der glomerulären Hämodynamik auf, mit Beeinflussung des Tonus des Vas afferens. Ergebnisse von Cherney et al. in der Zeitschrift Circulation im Jahr 2014 haben uns die Aktivierung des tubuloglomerulären Feedbackmechanismus nach Gabe von Empagliflozin gezeigt. Joachim Anders hat das in einer Arbeit im New England Journal of Medicine gut nähergebracht [5]. Unter anderem kommt es zur Senkung des intraglomerulären Drucks (auch bei gleichzeitiger ACE-Hemmer-Gabe) und zu einem Absinken der Hyperfiltration. Gehen wir nun davon aus, dass alle proteinurischen Nierenerkrankungen hyperfiltrieren, jedenfalls die verbliebenen Nephrone, so müssten wir folgern, dass die Gabe von SGLT2-Hemmern bei nichtdiabetischen Nierenerkrankungen ebenfalls wirksam sein könnten. Das würde bedeuten, dass wir in Zukunft den intraglomerulären Druck auch bei z. B. der IgA-Nephritis oder anderen Nierenerkrankungen senken können, um so zu einem Rückgang der Albuminurie, gegebenenfalls auch bei nephrotischen Patienten, und zu einer Progressionsverzögerung zu kommen [6]. Diese Hypothesen, die experimentell untermauert sind und sehr naheliegen, und in Einzelfallbeobachtungen auch bereits berichtet werden, werden gerade in zwei großen Outcome-Studien mit Dapagliflozin und Empagliflozin getestet. In der EMPA-Kidney-Studie können in Deutschland mehr als 1.000 Patienten, von insgesamt 5.000, in die Studie eingeschlossen werden, und Studienzentren werden derzeit gesucht. Die Studie wird von Würzburg aus koordiniert, mit der Universität von Oxford im Hintergrund (entsprechend des Modells der SHARP-Studie) und dem Sponsor Boehringer-Ingelheim. Im nächsten Jahr werden wir auch die Ergebnisse von DECLARE-TIMI erhalten, einer Studie mit Dapagliflozin an 17.000 Typ-2-Diabetikern und geringerem kardiovaskulärem Risiko. Insgesamt befinden sich darüber hinaus mehr als 25.000 Patienten in klinischen Studien mit SGLT2-Hemmern. In Japan sind bereits sechs verschiedene SGLT2-Hemmer auf dem Markt erhältlich. Wenn die Ergebnisse weiter so vielversprechend generiert werden und wir die Therapien verträglich bei unseren Patienten zur Anwendung bringen können, so werden wir gegebenenfalls in zehn Jahren ein neues Therapieprinzip entwickelt haben, das der Hemmung des RAS-Systems gleichkommt. Wir können die glomeruläre Hämodynamik durch Beeinflussung des Tonus des Vas afferens und efferens steuern. Dies könnte insgesamt zu einem weiteren Absinken der Inzidenz von diabetischen Dialysepatienten führen. Referenzen Zinman B, Wanner C, Lachin JM et al. Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117–28. Wanner C, Inzucchi SE, Lachin JM. Empagliflozin and progression of kidney disease in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 324–34. Neal B, Perkovic V, Mahaffey KW et al.; CANVAS Program Collaborative Group. Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 644–57. Wanner C, Lachin JM, Inzucchi SE et al.; EMPA.REG OUTCOME Investigators. Empagliflozin and clinical outcomes in patients with type 2 diabetes mellitus, established cardiovascular disease, and chronic kidney disease. Circulation 2018; 137: 119–29. Anders H-J, Davis JM, Thurau K. Nephron protection in diabetic kidney disease. N Engl J Med 2016; 375: 2096–8. Cherney DZI, Zinman B, Inzucchi SE et al. Effects of empagliflozin on the urinary albumin-to-creatinine ratio in patients with type 2 diabetes and established cardiovascular disease: an exploratory analysis from the EMPA-REG OUTCOME randomised, placebo-controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5: 610–21. Autor: Prof. Dr. med. Christoph Wanner wanner_c@medizin.uni-wuerzburg.de aus connexi 2-2018 Biomarker der kardiorenalen Achse Kongressbericht vom Symposium Biomarker der kardiorenalen Achse 2018, Würzburg Titelbild Copyright: iStock® hywards, Shutterstock® piotr_pabijan Gestaltung: Jens Vogelsang, Aachen