SGLT2-Inhibition bei Herzinsuffizienz
Anja Lamprecht
Wirken antidiabetische Medikamente bei chronischer Herzinsuffizienz kardioprotektiv? von Andreas Rieth, Bad Nauheim Diabetes mellitus ist einer der Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz (HI). Herzinsuffizienz-Patienten leiden zu 24–40 % an Diabetes mellitus, und dieser erhöht das Hospitalisationsrisiko um 30 %. [1]. Medikamente zur Behandlung eines Diabetes mellitus können einen günstigen oder ungünstigen Einfluss auf eine Herzinsuffizienz ausüben (Tabelle 1), wobei es hierzu praktisch keine gezielten randomisierten, kontrollierten Studien gibt [2]. Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur Herzinsuffizienz von 2016 enthalten dementsprechend nur wenige Empfehlungen zur antidiabetischen Therapie bei Herzinsuffizienz: eine Kontraindikation (III-A) für Thiazolidindione (Glitazone) und eine Empfehlung (IIa-C) für Metformin. Unter dem Gesichtspunkt der HI-Prophylaxe und Prognoseverbesserung wird an anderer Stelle Empagliflozin, ein SGLT2-Inhibitor, empfohlen (IIa-B) [3]. SGLT2-Inhibition bei Herzinsuffizienz Das Therapieprinzip der SGLT2-Inhibition wurde bereits 1999 eingeführt. Jedoch erst seit der Veröffentlichung der EMPA-REG OUTCOME-Studie im Jahr 2014 [5] ist es zu einem stark anwachsenden Interesse an dieser Stoffgruppe mit einer Vielzahl von Publikationen (>200 im Jahr 2017, Pubmed-Recherche) gekommen. Der wiederholt beobachtete positive Effekt auf Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2DM) mit Herzinsuffizienz führte zu einer anhaltenden Stimulation der Forschung zu SGLT2-Hemmstoffen (u. a. Canagliflozin, Dapagliflozin, Empagliflozin). Fakten aus klinischen Studien Aus den vielfältigen, in Diskussion befindlichen Wirkmechanismen der SGLT2-Hemmer ergeben sich große Hoffnungen auf neuartige Behandlungsansätze zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Die Faktenlage ist zwar bisher günstig, jedoch bei weitem noch nicht ausreichend belastbar im Hinblick auf einen spezifischen Einsatz bei der primären Indikation Herzinsuffizienz. Die hauptsächliche Studienevidenz stammt bislang aus zwei großen randomisierten, kontrollierten Studien, der EMPA-REG OUTCOME-Studie (Empagliflozin) [5] und dem CANVAS-Programm (Canagliflozin) [1, 11]. In beiden Studien wurden primär Patienten mit Typ-2-Diabetes eingeschlossen. Eine vorbestehende Herzinsuffizienz hatten in der EMPA-REG OUTCOME-Studie 10,2 % der Patienten und in CANVAS 14,4 %. Unter Empagliflozin kam es im Vergleich zur Placebogruppe nach drei Jahren Therapie zu einer signifikanten Reduktion der kardiovaskulären Mortalität um absolut 2,2 %, der Gesamtsterblichkeit um 2,6 % und der Hospitalisierung aufgrund von HI um 1,4 %. Unter Canagliflozin kam es zu einer signifikanten Reduktion des primären Studienendpunktes (u.a. kardiovaskulärer Tod) um absolut 4,6 %. In der HI-Subgruppe betrug die absolute Risikoreduktion 9,2 % (nicht präspezifiziert). In beiden Studien wirkte sich die Verumtherapie sehr günstig auf die Nierenfunktion aus. Diese positiven Studienergebnisse bilden eine solide Grundlage für die oben genannnte Leitlinienempfehlung. Ausblick Eine profunde Analyse der EMPA-REG OUTCOME-Daten zeigt jedoch auch, dass aus dieser Studie eine spezifische Therapie der Herzinsuffizienz per se mit SGLT2-Inhibitoren bei weitem nicht abgeleitet werden kann [12]. Hierzu müssen die Ergebnisse weiterer, aktuell durchgeführter Studien abgewartet werden. Allerdings untersuchen nur einige wenige gezielt HI-Patienten auch ohne DM [8]. Bei der Bewertung wird auch auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis der relativ neuartigen Substanzen zu achten sein, denn unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Gliflozine wie urogenitale Infektionen oder schwere Ketoazidosen sind durchaus nicht zu vernachlässigen [6]. Referenzen Fitchett DH, Udell JA, Inzucchi SE. 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