Reduktion des Dialysat-Kalziums führt zur Reduktion der Progression­ der Koronararterienverkalkung und zur Verbesserung­ der Low-Turnover-Osteopathie bei Hämodialysepatienten

LeseZeichen   von Dr. med. Bernd Winterberg   Gefäßverkalkungen treten bei Hämodialysepatienten häufiger und mit einem schnelleren Fortschreiten auf als in der Normalbevölkerung und sind mit einer hohen Rate an kardiovaskulären Ereignissen verknüpft. Neben den üblichen Risikofaktoren sind Störungen des Mineralhaushalts, vor allem des Kalziumstoffwechsels, hierfür mitverantwortlich.   Eine hohe Kalziumbeladung durch kalziumhaltige Phosphatbinder, hohe Dosen an Vitamin-D-Analoga und hohe Dialysat-Kalzium-Konzentrationen ist mit einer akzelerierten Gefäßverkalkung verknüpft. Eine positive Kalziumbilanz kann auch zu einer Suppression der Nebenschilddrüsen führen und somit zur Pathogenese der Low-Turnover-Osteopathie beitragen. Aufgrund der verminderten Kalzium-Pufferkapazität des Knochens bei dieser Erkrankung ist dadurch eine Verbindung zu vermehrter Gefäßverkalkung gegeben. Es sind viele Studien zu dem Effekt kalziumfreier Phosphatbinder auf die Verringerung der Kalziumbeladung publiziert worden. Jedoch waren bislang die Empfehlungen, die Kalziumbeladung durch ein niedriges Kalzium im Dialysat zu senken und dadurch die Auswirkungen auf die Gefäßverkalkungen und die Osteodystrophie positiv zu beeinflussen, durch Studien an Hämodialysepatienten nicht belegt.   In der vorliegenden randomisierten kontrollierten Studie war genau dieses Gegenstand der Untersuchung. Es wurden Hämodialysepatienten mit einem PTH (intakt)-Spiegel ≤300 pg/ml, die bis dahin mit einem Dialysat mit 1,75 oder 1,5 mmol Ca/l (n=425) dialysiert wurden, in eine Gruppe mit einem Dialysat-Kalzium von 1,25 mmol/l (n=212) oder in eine Gruppe mit einem Dialysat-Kalzium von 1,75 mmol/l (n=213) randomisiert. Die Studiendauer betrug 24 Monate. Es wurden CT-Untersuchungen zur Verlaufsbeurteilung der Koronararterienverkalkung und Knochenbiopsien zur Verlaufsbeurteilung der renalen Osteopathie durchgeführt. Das primäre Outcome war eine Veränderung des Koronararterienverkalkungs-Score (CAC-Score), das sekundäre Outcome war eine Veränderung der histomorphometrischen Parameter.   Die CAC-Scores stiegen von 452 ± 869 (Mittelwert ± SD) in der 1,25-Kalzium-Gruppe und von 500 ± 909 in der 1,75-Kalzium-Gruppe (p=0,68) auf 616 ± 1.086 bzw. auf 803 ± 1.412 nach 24 Monaten (p=0,25). Die Differenz zwischen den CAC-Scores der beiden Gruppen erreichte demnach nicht das Signifikanzniveau, was u. a. auch auf eine erhöhte Dropout-Rate zurückzuführen ist (Mortalität: 68 Patienten, keine signifikante Differenz zwischen den beiden Gruppen; Nierentransplantation: 21 Patienten; Zentrumswechsler: 37 Patienten; vorzeitige Beendigung der Studienteilnahme bei 15 Patienten in der 1,75-Kalzium-Gruppe [Hyperkalzämie], bei keinem Patienten der 1,25-Kalzium-Gruppe [Hyper- oder Hypokalzämie]).   Die Progressionsrate der CAC-Scores hingegen war signifikant niedriger in der 1,25-Kalzium-Gruppe als in der 1,75-Kalzium-Gruppe (160 ± 299 bzw. 303 ± 624). Die mittlere absolute Differenz der Progression der CAC-Scores zwischen den beiden Gruppen betrug -138 (Agatston-Methode, p=0,03).   Die Prävalenz der histologisch diagnostizierten Low-Turnover-Osteopathie sank von 85 % auf 41,8 % in der 1,25-Kalzium-Gruppe (p=0,001). Sie veränderte sich dagegen in der 1,75-Kalzium-Gruppe nicht. Nach 24 Monaten waren die Knochenbildungsrate, die Trabekeldicke und das Knochenvolumen in der 1,25-Kalzium-Gruppe höher als in der 1,75-Kalzium-Gruppe. Das Ergebnis dieser Studie ist, dass eine Erniedrigung des Dialysat-Kalziumspiegels auf 1,25 mmol/l bei Hämodialysepatienten mit einem PTH (intakt) von ≤300 pg/ml die Progression der Koronarverkalkung verlangsamt und die Knochenbildungsrate verbessert.     Kommentar   Mit dieser wichtigen Studie an 284 Hämodialysepatienten mit einem PTH (intakt) ≤300 pg/ml konnten die Autoren mit einer Senkung des Dialysat-Kalziums auf 1,25 mmol/l positive Effekte auf den Verlauf der Koronararterienverkalkung und der renalen Osteopathie bei diesen Patienten nachweisen.   Harris et al. haben in einer kleinen Studie (publiziert 2006) an 51 Peritonealdialysepatienten mit adynamer Osteopathie nach Senkung des Dialysat-Kalziums von 1,62 auf 1,00 mmol/l eine Verbesserung des Knochenumsatzes mit weniger hyperkalzämischen Episoden und einen Anstieg der PTH-Spiegel zeigen können. Am Ende waren in der Harris-Studie allerdings nur 14 Patienten in der Gruppe mit niedrigem Dialysat-Kalzium; in der vorliegenden Studie waren es hingegen 150 Patienten, was sicherlich eine validere Aussage ermöglichte. Bedauerlich ist meines Erachtens, dass die statistische Power dieser sehr sorgfältig geplanten und durchgeführten Studie durch viele Dropouts niedriger ausfiel als erwartet.   Erwähnenswert ist ferner, dass eine hohe Kalzium-Exposition die Progression der Koronararterienverkalkung hauptsächlich in Gegenwart einer Hyperphosphatämie steigerte; fehlte diese, gab es in dieser Hinsicht fast keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Das soll aber nicht heißen, dass ein hohes Dialysat-Kalzium ohne begleitende Hyperphosphatämie bezüglich einer Progression der Koronararterienverkalkung sicher ist.   Die Autoren weisen abschließend zu Recht darauf hin, dass ein niedriges Dialysat-Kalzium von 1,25 mmol/l nicht auf die Allgemeinheit der Hämodialyse-Patienten anwendbar ist, sondern bevorzugt bei Dialysepatienten mit einem PTH-Wert von ≤300 pg/ml eingesetzt werden sollte. Bei diesen Patienten konnte in der Studie eine Verlangsamung der Progression der Koronararterienverkalkung und eine Besserung der Low-Turnover-Osteopathie nachgewiesen werden.        Referenz: Ercan Ok, Gulay Asci, Selen Bayraktaroglu et al. Reduction of dialysate calcium level reduces progression of coronary artery calcification and improves low bone turnover in patients on hemodialysis. J Am Soc Nephrol 2016; 27: 2475–86.       Bildcopyright: mauritius images / Phototake / Philippe Dacla   Autor:           Dr. med. Bernd Winterberg         aus connexi  8-2016 März bis Mai 2016 Nephrologie, Dialyse Transplantation Kongressberichte                  
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