Präventive Kardiologie

Sinn und Unsinn bestehender Ernährungsempfehlungen − was ist evident? Clemens von Schacky, München   Eine gesunde Ernährung gilt als wesentliche Grundlage für ein gesundes langes Leben ohne Herzerkrankungen. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) empfiehlt eine gesunde Ernährung, die inhaltlich Empfehlungen von Fachgesellschaften für Ernährung entspricht, nicht aber dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft.     Transfettsäuren   “Saturated fat to account for <10 % of total energy intake, through replacement by polyunsaturated fatty acids.”   Die Grenze <10 % ist unbelegt. Zudem weiß man inzwischen, dass fast jede einzelne Fettsäure biologisch unterschiedlich wirkt, so dass sich die Gruppierung “gesättigte” vs. „mehrfach ungesättigte“ Fettsäuren verbietet. Außerdem kann in aktuellen systematischen Reviews und Meta-Analysen weder für Verzehr noch für Spiegel von gesättigten Fettsäuren ein negativer Effekt erkannt werden. Interventionsstudien mit gesättigten Fettsäuren zu kardiovaskulären Endpunkten liegen nicht vor. In größeren Mengen sind die mehrfach ungesättigten omega-6 Fettsäuren möglicherweise schädlich.     “Trans unsaturated fatty acids: as little as possible, preferably no intake from processed food, and <1 % of total energy intake from natural origin.”   Große Mengen oder hohe Spiegel von Transfettsäuren aus der Lebensmittelproduktion sind epidemiologisch schädlich, was aber nur früher in den USA, aber nie in Europa eine Rolle gespielt hat. Nach eigenen Daten sind die bei uns typischen Spiegel dieser Transfettsäuren unschädlich. Nach eigenen Daten sind natürliche Transfettsäuren, wie sie in Milch und Rindfleisch vorkommen, mit geringerer Mortalität assoziiert, insbesondere mit weniger plötzlichem Herztod. Daten aus Interventionsstudien fehlen.     Salz   “<5 g Salt per day”   Zu geringe Zufuhr von Salz löst Salzhunger aus und kann zu neurologischen Ausfällen und anderen Schäden führen. In einer großen aktuellen Meta-Analyse von epidemiologischen und Interventions-Studien zeigte die Salzzufuhr ein U-förmiges Verhältnis zu klinischen Endpunkten, mit einer minimalen Mortalität bei einem Verzehr zwischen 5 und 8 g/Tag. Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten fehlen.       Ballaststoffe   “30−45 g fibre per day, from wholegrain products, fruit or vegetables“   Pro Tag 7 g Fasern verzehrt, ist epidemiologisch das kardiovaskuläre Risiko 9 % niedriger, was für lösliche Fasern und für Fasern aus Obst allerdings nicht belastbar war. Dosierungen >30 g/Tag sind nicht untersucht. Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten liegen nicht vor.   “200 g fruit per day (2–3 servings); 200 g vegetable per day (2–3 servings)”   Pro zusätzlichen 80 g/Tag Obst ist epidemiologisch die Gesamtmortalität 6 % niedriger; pro zusätzliche 80 g/Tag Gemüse 5 %, wobei bei je 200 g/Tag ein Plateau erreicht wird. Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten fehlen.       Fisch   “Fish at least twice a week, one of which to be oily fish.”   Laut ESC sind marine omega-3 Fettsäuren das aktive Prinzip in Fisch. Deshalb macht es keinen Sinn fettarmen Fisch zu empfehlen. Geringer Verzehr, insbesondere aber niedrige Spiegel von marinen omega-3 Fettsäuren in Erythrocyten (gemessen als HS-Omega-3 Index®) sind mit erhöhter Mortalität und kardiovaskulären Endpunkten assoziiert. Studien auf Basis des HS-Omega-3 Index zu Surrogat- und In­ter­mediärparametern zeigen einen klaren protektiven Effekt; entsprechende Inter­ventionsstudien mit klinischen Endpunkten liegen nicht vor. Bisherige Interventionsstudien hatten schwere methodische Mängel. Ein omega-3 Fettsäure-Mangel ist verbreitet, ist nur mit dem HS-Omega-3 Index erfassbar; ist ein kardiovaskulärer Risikofaktor und geht u. a. mit eingeschränkten kognitiven Leistungen und Risiko für majore Depression einher. Daher sollte nach persönlicher Meinung des Autors ein Mangel an omega-3 Fettsäuren erfasst und ausgeglichen werden.       Alkohol   “Consumption of alcoholic beverages should be limited to two glasses per day (20 g/day of alcohol) for men and one glass per day (10 g/day of alcohol) for women.”   Diese Empfehlung entspricht den epidemiologischen Daten, allerdings ist die Korrelation von Alkoholkonsum und Auftreten von Krebserkrankungen linear.     Energiebilanz   “Energy should be limited to the amount of energy needed to maintain (or obtain) a healthy weight, i.e. a BMI <25 kg/m2.“   Eine nachhaltige Kontrolle des Körpergewichts ist nur durch eine Balance zwischen Energiezufuhr und -verbrauch möglich. In dieser Form leistet die Empfehlung „Wunderdiäten“ und Jo-Jo-Effekten Vorschub.       Mediterrane Kost   Mediterrane Kost umfasst einen „hohen Verzehr von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Fisch und ungesättigten Fettsäuren (insbesondere Olivenöl), einen moderaten Konsum von Alkohol (hauptsächlich Wein, insbesondere zu Mahlzeiten) und einen geringen Verzehr von (rotem) Fleisch, Milchprodukten und gesättigten Fettsäuren“. Ergebnisse aktueller Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten unterstützen weiter die mediterrane Kost.       Nahrungsergänzungsmittel   “In general, when following the rules for a healthy diet, no dietary supplements are needed.“   Wie andernorts ausführlicher diskutiert, bestehen bei weiten Teilen der Bevölkerung Mängel an Vitamin D und omega-3 Fettsäuren, die sich in erhöhter Gesamt- und kardiovaskulärer Mortalität manifestieren. Omega-3 Fettsäuren bessern kognitive Leistungen und psychiatrische Erkrankungen, während Vitamin D nicht nur Knochenbrüche und Stürze, sondern auch Mortalität mindert.       Fazit   Die Ernährungsempfehlungen der ESC reflektieren historisches Wissen, dem die aktuelle Datenlage z. T. deutlich widerspricht. Da Leitlinien lange Vorlaufzeiten haben und einander beeinflussen, ist mit einer raschen Aktualisierung nicht zu rech­nen.        Referenzen: 1. Der vorliegende Text ist eine Zusammenfassung von:     Schacky C, „Ernährung in der kardiovaskulären Prävention“, Herzmedizin 2015; 32 (3):25.     wo sich auch die entsprechenden Literaturstellen finden.     Copyright: shutterstock/Natalia Klenova   Autor:   App PHOTOSHOW Prof. Dr. med. Clemens von Schacky, München Clemens.vonSchacky@med.uni-muenchen.de c.vonschacky@omegametrix.eu       aus connexi 4-2015 8. bis 11. April Mannheim 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie Konferenzbericht        
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