Neue therapeutische Angriffspunkte

Rolle der B-Zellen bei der Rejektion von Tobias Bergler, Regensburg     Durch die Einführung moderner Therapieschemata zur Induktions- und Erhaltungstherapie sind die akuten, insbesondere die akuten T-Zell-vermittelten Abstoßungsraten, signifikant gesenkt worden [1]. Ungeachtet der Erfolge in der Reduktion der akuten Abstoßungen stagniert die Rate an Langzeittransplantatverlusten, die unter anderem durch chronische, meist B-Zell-vermittelte Abstoßungsprozesse bedingt sind. So führten Sellares et al. aus, dass vermutlich zwei Drittel der Langzeittransplantatverluste durch einen antikörpervermittelten Abstoßungsprozess (ABMR) (mit-)bedingt sind [2].   Die diagnostischen Möglichkeiten in der Aufarbeitung antikörpervermittelter Abstoßungsprozesse haben in letzten Jahren eine dramatische Erweiterung erfahren: Neben einer Überarbeitung der histopathologischen Banff-Klassifikation – unter anderem Berücksichtigung C4d-negativer ABMR [3, 4] – hat insbesondere die serologische Erkennung und Charakterisierung ABMR-assoziierter Prozesse dramatische Fortschritte gezeigt. Es besteht heutzutage nicht nur die Möglichkeit des Nachweises donorspezifischer Antikörper (DSA), sondern es konnte gezeigt werden, dass das Auftreten von DSA mit spezifischen histopathologischen ABMR-Charakteristika [5] assoziiert ist. Auch konnte eine Assoziation zwischen bestimmten DSA-IgG-Subklassen und Entitäten der ABMR entschlüsselt werden [6]: So finden sich IgG3-DSA eher bei akuten ABMR-Formen, wohingegen IgG4-DSA tendenziell mit subklinischen Verlaufsformen der ABMR assoziiert sind. Auch funktionelle Charakteristika der DSA wurden aufgearbeitet, und es zeigte sich, dass beispielsweise komplementbindende donorspezifische Anti-HLA-Antikörper mit dem niedrigsten 5-Jahres-Transplantatüberleben assoziiert sind [7]. Weiterführende Arbeiten erbrachten zudem Hinweise darauf, dass zirkulierende komplementaktivierende DSA einen spezifischen histomolekularen Nierentransplantatabstoßungsphänotyp zeigen, der gegebenenfalls einer spezifischen Intervention mit dem humanisierten Antikörper Eculizumab, der die terminale Aktivierung des Komplementsystems durch Bindung des Proteins C5 inhibiert, zugänglich wäre [8]. Im Gegensatz zu der zunehmend detailreicheren und präziseren ABMR-Diagnostik, bleibt die Therapie der akuten, aber insbesondere der chronischen ABMR weiterhin eine substanzielle Herausforderung. Die Grundprinzipien der ABMR-Therapie liegen   1. in der Elimination donorspezifischer Antikörper und 2. in der Blockade einer abermaligen Antikörperbildung. Aus den bestehenden theoretischen Überlegungen leiten sich die eingesetzten, oftmals kombinierten Therapieschemata der antikörpervermittelten Abstoßung ab.       Überblick über aktuelle Therapieschemata   Im Gegensatz zu den Verfahren der Antikörperelimination mittels Plasmaaustausch oder Immunadsorption, die ihren Stellenwert, unter anderem auch in randomisierten Untersuchungen, nachweisen konnten [9], sowie dem Stellenwert der intravenösen Immunglobulingabe (IVIG), die in einem FDA-Workshop zur ABMR-Therapie als „Standard of Care“ bezeichnet wurden [10], blieben andere Therapieversuche bei der ABMR mit Rituximab oder Bortezomib hinter den Erwartungen zurück: Der Einsatz von Rituximab als Triple-Therapie gemeinsam mit IVIG und Plasmaaustausch zeigte sich zunächst einer alleinigen IVIG-Therapie im 36-monatigen Transplantatüberleben überlegen (91,7 % vs. 50 %; p = 0,02) [11], konnte jedoch diesen vermeintlichen Vorteil in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie nicht unterstreichen [12]. Die additive Verwendung von Rituximab im Vergleich mit Placebo führte in Kombination mit Plasmaaustausch, IVIG und Kortikosteroiden zwar zu tendenziell niedrigeren DSA-Werten, zeigte aber weder einen Vorteil hinsichtlich des Transplantatverlustes, noch hinsichtlich der resultierenden Nierenfunktion (Kreatininwerte, Ausmaß der Proteinurie) in einem Nachbeobachtungszeitraum bis Monat zwölf nach Transplantation. Auch bei Patienten mit Nachweis von DSA und histopathologischen Zeichen der chronischen ABMR (z. B. einer Transplantatglomerulopathie) erwies sich die Kombination von IVIG mit Rituximab der Kombination von IVIG plus Placebo bezüglich des Abfalls der eGFR und dem Fortschreiten der Proteinurie als nicht überlegen [13]. Auch die direkte Adressierung der Plasmazellen, als Quelle der DSA mit Bortezomib erbrachte in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie von Eskandray F et al. [14] leider nicht den gewünschten Erfolg: Die Verwendung von Bortezomib bezüglich der untersuchten Endpunkte (eGFR-Abfall, Zwei-Jahres-Transplantatüberleben, Proteinurie, DSA-Level u. a.) war nicht unterschiedlich zu Placebo, jedoch sogar mit einer erhöhten gastrointestinalen und hämatologischen Toxizität verbunden. Ein neuer Therapieansatz der chronischen ABMR für Patienten mit manifesten Zeichen der chronischen Schädigung, im Sinne einer Transplantatglomerulopathie, der nicht direkt gegen eine B- oder Plasmazellpopulation gerichtet ist, sondern gegen einen aktivierenden Rezeptor (IL6-Rezeptor), welcher im Rahmen der DSA-Entwicklung eine Rolle zu spielen scheint, ist vielversprechend [15]. So konnte durch die Verwendung von Tocilizumab (monoklonaler Anti-IL6-Rezeptor-Antikörper) in einer Pilotstudie bei 36 Patienten nach Versagen einer Therapie mit IVIG, Rituximab und ggf. Plasmaaustausch eine signifikante Reduktion der DSA und Stabilisierung der Transplantatfunktion erreicht werden. Ein Ergebnis, das einer Bestätigung in einer randomisierten klinischen Prüfung bedarf.   Vor der Etablierung neuer Therapiekonzepte zur chronischen ABMR sollte nochmals rekapituliert werden, dass donorspezifische Antikörper, die zum Zeitpunkt der Transplantation vorhanden sind oder die sich de novo im Anschluss an eine Transplantation bilden, zwar sehr effektiv mittels Plasmaaustauschverfahren aus dem Patientenserum entfernt werden können, aber dass solange ein anhaltender Stimulus durch das Transplantat besteht, es zu einer fortwährenden Aktivierung des B-Zell-Kompartiments und damit auch der Bildung von Antikörpern kommen wird; sich die Rolle von B-Zellen nicht alleinig in der Vorstufe antikörperbildender Zellen erschöpft, sondern wesentlich breiter gefächert ist (humorales Gedächtnis, Antigenpräsentation und damit Aktivierung von CD4+-T-Zellen, Zytokinproduktion, auch von protektiven Zytokinen etc.).   Moderne Therapiekonzepte zur ABMR sollten demzufolge also möglichst B-Zell-restringiert sein, jedoch unter Abdeckung aller Ig-bildender Reifungsstufen (aktivierte B-Zelle, Plasmablast, Plasmazelle), aber unter Schonung der protektiven, regulatorischen B-Zellpopulation (Bregs) [16]. Diese Anforderungen erklären zumindest teilweise warum die bisherigen Untersuchungen zu Rituximab (Anti-CD20-Antikörper und damit nicht plasmazellbeeinflussend, da diese kein CD20 exprimieren) und Bortezomib (Proteasom-Inhibitor und damit nicht B-Zell-beeinflussend) keinen signifikanten Effekt zeigten.   Inwieweit bestimmte B-Zell-Proliferationsfaktoren, wie zum Beispiel BAFF (B-cell activating factor), APRIL (a proliferation-inducing factor) oder zugehörige Rezeptoren wie BAFF-R, TACI oder BCMA, diese oben genannten Anforderungen erfüllen, ist aktuell Gegenstand der Forschung. Der Einsatz von monoklonalen BAFF-Antikörpern, die in der Rheumatologie ihren Stellenwert zum Beispiel in der Therapie der Lupus-Nephritis unterstrichen haben [17, 18], könnte auch in Bereichen der Transplantationsimmunologie vorteilhaft sein. So konnten Untersuchungen zum Proliferationsfaktor BAFF diesen nicht nur mit verschiedenen Aspekten der DSA-Entwicklung und Transplantatdysfunktion in Zusammenhang bringen [19], sondern es fand sich auch eine Assoziation zwischen dem Ausmaß der Vorimmunisierung von Patienten und dem resultierenden BAFF-Spiegel, was wiederum Einfluss hatte auf die Inzidenz antikörpervermittelter Abstoßungen [20]. Der Einsatz von Tabalumab, einem monoklonalen BAFF-Antikörper, konnte bei auf der Warteliste zur Nierentransplantation befindlichen, immunisierten Patienten die Menge an präformierten Antikörpern signifikant reduzieren [21].     Fazit   Die chronische antikörpervermittelte Nierentransplantatabstoßung stellt weiterhin – gerade in Zeiten dramatisch rückläufiger Organspendezahlen – eine der substanziellsten Aufgaben der Transplantationsmedizin dar. Die Entschlüsselung der Rolle der B-Zelle, jenseits der alleinigen Antikörperproduktion und die Evaluierung neuer therapeutischer Angriffspunkte, schließt zukünftig hoffentlich die aktuell bestehende Lücke zwischen einem sich rasant verbreiterndem diagnostischen Armamentarium der chronischen ABMR und einer fehlenden, spezifischen therapeutischen Intervention.         Referenzen Matas AJ, Smith JM, Skeans MA et al. OPTN/SRTR 2013 Annual Data Report: kidney. Am J Transplant 2015; 15 Suppl 2: 1–34. Sellares J, de Freitas DG, Mengel M et al. Understanding the causes of kidney transplant failure: the dominant role of antibody-mediated rejection and nonadherence. Am J Transplant 2012; 12: 388–99. Haas M, Sis B, Racusen LC et al. Banff 2013 meeting report: inclusion of c4d-negative antibody-mediated rejection and antibody-associated arterial lesions. Am J Transplant 2014; 14: 272–83. Haas M. 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Tobias Bergler tobias.bergler@ukr.de                 aus connexi  6-2018 ANEPHROLOGIE, DIALYSE, TRANSPLANTATION ERA EDTA 2018, Nephrologisches Seminar Heidelberg, Erfurter Dialysefachtage Kongressberichte       Titelbild Copyright: Anja Matzker, Gemälde im Hintergrund Copyright © Gerhard Richter 2018 (04072018) Gestaltung: Anja Matzker, Kommunikations- und Grafikdesign, Berlin    
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