Neprilysininhibition

Eine neue therapeutische Strategie zur Behandlung der HFpEF?   von Monika Januszewski und Bjoern Andrew Remppis, Bad Bevensen   Mit Einführung der kombinierten Angiotensinrezeptor- und Neprilysin-Inhibition (ARNI) ist ein erheblicher Fortschritt in der pharmakologischen Therapie der Herzinsuffizienz gelungen, wie es ihn seit Einführung der ACE-Hemmer nicht mehr gegeben hat. Die Paradigm-Studie führte zur Zulassung des Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitors Entresto (Sacubitril/Valsartan). Unsere Erfahrungen zeigen, dass Entresto auch bei Patienten mit HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction) und pulmonaler Hypertonie gute Effekte hinsichtlich der klinischen Symptomatik und bezüglich der pulmonalen Hämodynamik sowie echokardiographischer Parameter zeigt.   Die Paradigm-Studie [1] untersuchte den Effekt der kombinierten Angiotensinrezeptor- und Neprilysin-Inhibition im Vergleich zur ACE-Hemmung bei Patienten mit Herzinsuffizienz und musste bei frühzeitigem Erreichen der Endpunkte vorzeitig abgebrochen werden. Die Studie führte zur Zulassung von Entresto® für die Behandlung von Patienten mit eingeschränkter Ventrikelfunktion (EF <35 %), die trotz Therapie mit einem ACE-Hemmer noch symptomatisch sind, und zu einer Ib‑Empfehlung in den ESC-Herzinsuffizienzleitlinien. In der noch laufenden PARAGON-Studie wird der Effekt der ARNI in einem Kollektiv von Patienten untersucht, die eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion aufweisen. Im Nachfolgenden soll zunächst eine Fallvignette einer Patientin mit Herzinsuffizienz bei erhaltener Ejektionsfraktion vorgestellt werden, um vor diesem Hintergrund die molekularen Effekte einer Neprilysin-Inhibition zu erläutern.     Entresto-Therapie nach Dekompensation bei HFpEF   Wir sahen bei Aufnahme eine 76-jährige Dame, die eine seit fünf Jahren stetig abnehmende Belastbarkeit angab, die zuletzt dazu führte, dass sie ihr Zuhause nicht mehr verließ, da die Mobilität in der Ebene bis auf 100 Meter eingeschränkt war. Klinisch war eine reaktive Depression zu konstatieren, da die Patientin ihren gewohnten gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Untersuchungen in mehreren anderen Krankenhäusern im Verlauf des vorangegangenen Jahres erbrachten neben einer diffusen koronaren Herzerkrankung die Befunde eines schwierig einzustellenden Hypertonus und ein persistierendes Vorhofflimmern. Aufgrund der schweren klinischen Einschränkung der Patientin und der langen Krankengeschichte entschlossen wir uns, den Fall komplett neu aufzurollen und systematisch abzuarbeiten. Zunächst wurde nach einer Amiodaronaufsättigung eine Kardioversion in den Sinusrhythmus durchgeführt, ein schwerer Eisenmangel mit 1.500 mg Eisen i.v. therapiert, eine Nieren­arterienstenose mittels Stenting versorgt und die larvierte Depression mit hochdosiertem Vitamin D und 5-HTP behandelt. Die geklagte Schlafstörung konnte sehr gut mit einer vorübergehenden Progesteronsubstitution behandelt werden. Die so rekompensierte Patientin wies mit 53 % eine grenzwertig erhaltene systolisch radiale Ejektionsfraktion des LV auf, wobei die detaillierte echokardiographische Analyse bei einem globalen longitudinalen Strain von -15 % auch eine systolisch longitudinale Einschränkung aufwies. Ein signifikant erhöhtes LA-Volumen und ein E/E` von 15 wiesen auf erhöhte LA-Drücke hin. Auffällig waren ferner eine hochgradige Trikuspidalinsuffizienz infolge deutlicher Dilatation des Klappenanulus sowie eine massive Vergrößerung des rechten Atriums bei signifikanter Funktionseinschränkung des dilatierten RV. Die entsprechende invasive Untersuchung ergab eine pulmonale Hypertonie vom gemischten prä- und postkapillären Typ (PAP 58/18/33 mmHg, Wedge mean 24 mmHg, V-Welle 38 mmHg [Compliancestörung des LV], SVR 3.000 dynes, PVR 3WU) bei noch deutlich erhöhtem systemischen Widerstand. Diese Patientin wurde auf Entresto eingestellt, wobei innerhalb von zwei Tagen eine signifikante klinische Besserung zu dokumentieren war, und die Patientin erstmals seit Jahren wieder zwei Etagen Treppen steigen konnte. Wir führten in diesem Fall die invasive Kontrolluntersuchung bereits nach sieben Tagen durch und fanden eine Normalisierung der pulmonalen Druckverhältnisse (PAP 35/14/22 mmHg, Wedge mean 16 mmHg, SVR 2000 dynes, PVR 1 WU) (Abbildung 1), während initial erhöhte NTproBNP Werte von 3.000 ng/l sich auf 113 ng/l normalisierten. Echokardiographisch war dies von einer signifikanten Abnahme der Trikuspidalinsuffizienz auf Grad I und einer Normalisierung der Größenverhältnisse des rechten Herzens begleitet. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion blieb mit 53 % unverändert, während sich jedoch der globale longitudinale Strain signifikant auf -18 % besserte. Unter Therapie mit Entresto verschlechterte sich initial zwar die GFR von 45 auf 35 ml/min/1,73m2. Nach sechsmonatiger Kontrolle konnte schließlich eine Verbesserung der Filtrationsleistung auf 56 ml/min/1,73m2 dokumentiert werden. Die Patientin ist weiterhin stabil auf NYHA II belastbar.     Molekulare Effekte der ARNI   Dieser Fall einer HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction) belegt bemerkenswerte Effekte von Entresto einerseits auf die pulmonale Hämodynamik und andererseits auf funktionelle Aspekte bei Insuffizienzvitien. Die hier verfolgte pharmakologische Strategie umfasst einerseits die Blockade der RAAS-Aktivierung durch Valsartan und andererseits die Aktivierung der RAAS-Blockade mittels Neprilysin-Inhibition. Da Neprilysin als Enzym vielfältige Substrate hat, ergeben sich auch vielfältige und zum Teil widerläufige molekulare Wirkmechanismen, die letztlich zum klinischen Nettoeffekt beitragen können. Der Hauptfokus wird hierbei pharmakologisch auf eine Blockade des BNP-Abbaus gelegt, wobei man argumentiert, dass eine verlängerte Halbwertzeit des BNP zu einer erhöhten Aktivität cGMP-abhängiger Signaltransduktionsmechanismen mit konsekutiver Vasorelaxation, Natriurese und Diurese führt. Mit einer so verlängerten Halbwertzeit des BNP, kann dieser Laborwert natürlich nicht mehr zur klinischen Verlaufsbeobachtung dienen, da nur noch das N-terminale Ende des BNP mit der Freisetzung aus dem Myokard korreliert.   In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass die Aktivität von Neprilysin mit der Herzinsuffizienz zunimmt und daher eine beschleunigte Inaktivierung von zirkulierendem BNP zu erwarten ist. Interessant ist daher die Arbeit von Miller et al. [2], die massenspektrometrisch den Nachweis führten, dass der weit überwiegende Anteil des BNP als inaktive Bruchstücke zirkuliert. Dieser Befund belegt, dass ein im klinischen Labor dokumentierter BNP-Anstieg nicht mit relevanten biologischen Effekten des BNP korrelieren kann, sondern lediglich die Schwere der Herzinsuffizienz reflektiert. Mit Blockade des Neprilysins ist dahingegen ein signifikanter Nettoeffekt zu erwarten, da nun ein relevanter Spiegel intakten BNP seine Wirkung am Rezeptor entfalten und via PKG-Aktivierung sehr effektiv den Blutdruck senken kann. Da cGMP-abhängige Signaltransduktionsmechanismen auch für die renale Funktion von zentraler Bedeutung sind [3], sind diese Effekte auch maßgeblich für die beobachtete Verbesserung von Diurese und Natriurese verantwortlich. Eine signifikante Nach- und Vorlastsenkung könnte daher viele der beobachteten Effekte im oben beschriebenen klinischen Fall erklären, insbesondere die Abnahme der Insuffizienzvitien und der Ventrikelvolumina.   Im Juli 2016 wurde von McKinnie et al. [4] Apelin als ein weiteres wichtiges Neprilysin-Substrat beschrieben, für welches sehr interessante hämodynamische Effekte belegt sind [5]. Apelin ist das stärkste körpereigene positiv inotrope Molekül, dass über eine Regulation des Ca2+-Cyclings die Kontraktilität steigert, während es gleichzeitig über eine verstärkte glattmuskuläre Vasorelaxation im pulmonalen Stromgebiet mutmaßlich den vaskulären Widerstand senkt und das vaskuläre Remodeling blockiert. Darüber hinaus scheint Apelin FGF-abhängige Fibrosierungmechanismen an der Niere zu inhibieren [6], sodass noch ein nephroprotektiver Effekt hinzutritt.   Die effektive Senkung des pulmonalen Druckes könnte des Weiteren darin begründet liegen, dass Neprilysin zur Aktivierung von Endothelin 1,21 beiträgt [7], welches als aktiver Metabolit den ETA1-Rezeptor aktiviert und zur Vasokonstriktion führt. Entresto dürfte also auch über eine Beeinflussung der Endothelinspiegel zu einer Normalisierung der Hämodynamik im kleinen Kreislauf beitragen.   In den letzten Jahren wird immer deutlicher, dass oxidativer Stress mit konsekutiver Entkoppelung cGMP-abhängiger Signaltransduktionsmechanismen einen zentralen Mechanismus der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) darstellt. So führt z. B. eine verminderte Phosphorylierung des Titins zu einer signifikanten Steigerung der ventrikulären Steifigkeit und so zu erhöhten ventrikulären Füllungsdrücken [8]. Unter erhöhter Arbeitslast kommt es bei ventrikulärer Compliancestörung folglich auch zu einer erhöhten Wandspannung der Vorhöfe mit Entwicklung von Vorhofflimmern und zur Ausprägung erhöhter pulmonaler Drücke. Eine verbesserte Phosphorylierung des Titins durch den Einsatz von Entresto könnte also ebenso zur eindrücklichen Senkung der pulmonalen Drücke bei unserer Patientin beigetragen haben und daher einen sehr sinnvollen molekularen Ansatz zur Behandlung der HFpEF darstellen [9].   Inwiefern diese Mechanismen in der Summe einen relevanten Beitrag zu den beobachteten klinischen Phänomenen beigetragen haben, muss in weiteren Studien zwar noch geklärt werden. Aber sie bieten eine attraktive Arbeitshypothese für die pleiotropen Effekte, die sich aus einer kombinierten Blockade von Angiotensin-Rezeptoren und Neprilysin ergeben.       Abbildung 1: Hämodynamik bei einer 76-jährigen Patientin mit HFpEF nach Rekompensation und elektrischer Kardioversion jeweils vor und unter Therapie mit Entresto (Skalierung auf 50 mmHg).     Zusammenfassung   Mit Einführung der kombinierten Angiotensinrezeptor- und Neprilysininhibition (ARNI) ist ein erheblicher Fortschritt in der pharmakologischen Therapie der Herzinsuffizienz gelungen, wie es ihn seit Einführung der ACE-Hemmer nicht mehr gegeben hat. Unsere Erfahrungen zeigen, dass En­tresto auch bei Patienten mit HFpEF und pulmonaler Hypertonie beeindruckende klinische Effekte nicht nur hinsichtlich der klinischen Symptomatik, sondern auch bezüglich der pulmonalen Hämodynamik und echokardiographischer Parameter zeigt. Es wird daher zu prüfen sein, ob mit Entresto ein neues therapeutisches Prinzip zur Behandlung des pulmonalen Hypertonus Typ II vorliegt. Die noch laufende PARAGON-HF-Studie bei Patienten mit HFpEF dürfte diesbezüglich noch interessante Einblicke geben.        Referenzen McMurray JJ, Packer M, Desai AS et al. PARADIGM-HF Investigators and Committees. Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014; 371(11): 993–1004. Miller WL, Phelps MA, Wood CM et al. Comparison of mass spectrometry and clinical assay measurements of circulating fragments of B-type natriuretic peptide in patients with chronic heart failure. Circ Heart Fail 2011; 4(3): 355–60. Mergia E, Stegbauer J. Role of phosphodiesterase 5 and cyclic GMP in hypertension. Curr Hypertens Rep 2016; 18(5): 39. McKinnie SM, Fischer C, Tran KM et al. The metalloprotease neprilysin degrades and inactivates apelin peptides. Chembiochem 2016; 17(16): 1495–8. Kazemi-Bajestani SM, Patel VB, Wang W et al. Targeting the ACE2 and apelin pathways are novel therapies for heart failure: opportunities and challenges. Cardiol Res Pract 2012; 2012: 823193. Chen H, Wan D, Wang L et al. Apelin protects against acute renal injury by inhibiting TGF-1. Biochim Biophys Acta 2015; 1852(7): 1278–87. De Campo BA, Goldie RG, Jeng AY, Henry PJ. Role of endothelin-converting enzyme, chymase and neutral endopeptidase in the processing of big ET-1, ET-1(1-21) and ET-1(1-31) in the trachea of allergic mice. Clin Sci (Lond) 2002; 103 (Suppl 48): 353S–356S. Linke WA, Hamdani N. Gigantic business: titin properties and function through thick and thin. Circ Res 2014; 114(6): 1052–68. Kovács Á, Alogna A, Post H, Hamdani N. Is enhancing cGMP-PKG signalling a promising therapeutic target for heart failure with preserved ejection fraction? Neth Heart J 2016; 24(4): 268–74.     Copyright Bild: SitePoint / photocase.de   Autoren:   App PHOTOSHOW Dr. med. Monika Januszewski m.januszewski@hgz-bb.de     App PHOTOSHOW Prof. Dr. med. Bjoern Andrew Remppis ba.remppis@hgz-bb.de       aus connexi  8-2017 Kardiologie, Herzchirurgie Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie 2017 Kongressbericht    
Neueste Artikel

 

Kontaktieren Sie uns

 

 

 

Folgen Sie uns