Moving forward
Moving forward Nephrologie ist mehr als Nierenmedizin „Moving forward“ lautete das Motto des diesjährigen 54. ERA-EDTA-Kongresses im Juni 2017 in Madrid. Befragt, warum man sich für diesen Leitspruch entschieden habe, antwortete der Kongresspräsident Professor Jorge B. Cannata-Andía aus Oviedo, Spanien: „Nephrologie wird immer noch zu sehr als ein organbezogenes Fach angesehen. Man richtet den Blick vor allem auf die Niere. Es ist aber an der Zeit zu verstehen, dass Nephrologen Generalisten sind, die es mit einem systemischen Krankheitsbild zu tun haben. Nierenerkrankungen haben Auswirkungen auf viele Organsysteme und sie sind Ursache für verschiedene Komorbiditäten.“ Es lohne sich demnach, meint Professor Cannata-Andía, das ganze Bild zu betrachten und sich nicht allein auf den kleinen Kernbereich der Nierenersatztherapie zu konzentrieren, wie es noch zu oft in der Nephrologie der Fall sei. „Moving forward“ stehe daher auch für einen Ausbau der nephrologischen Versorgung in Europa. Die Realität hingegen sieht anscheinend anders aus. Nephrologie sichtbar machen „Tatsache ist, dass die Nephrologie immer weniger Raum in den Kliniken und in der universitären Medizin einnimmt. Viele Krankenhäuser in Europa haben die Anzahl ihrer nephrologischen Betten reduziert, und auch die Zahl der nephrologischen Stationen geht zurück“, so beschreibt der jüngst aus dem Amt geschiedene ERA-EDTA-Präsident Professor Andrzej Więcek die Situation der Nephrologie in Europa. Ein Problem sei, dass die Nephrologie vor allem als „Dialyse-Medizin“ wahrgenommen werde. Anlässlich des 54. ERA-EDTA-Kongresses mahnte der Experte: „Wir müssen das breite Spektrum unseres Fachgebietes und die vielen Möglichkeiten, die die Nephrologie bietet, sichtbarer machen. Gleichzeitig sollten wir, um die Attraktivität unseres Faches zu bewahren, sicherstellen, dass wir die Innovationen, die aus nephrologischer Forschung entstehen, nicht freiwillig anderen Fachbereichen überlassen.“ CKD – Eine Herausforderung für die Gesundheitssysteme Europas Etwa 5 % bis 10 % der Europäer haben einen Teil ihrer Nierenfunktion eingebüßt und sind in einem hohen Maße dem Risiko ausgesetzt, in Zukunft von einer Nierenersatztherapie – Dialyse oder Transplantation – abhängig zu werden. In der urbanen Region Madrids mit seinen 6.000.000 Millionen Einwohnern werden 6.400 terminal niereninsuffiziente Patienten kontinuierlich mit einem Nierenersatzverfahren behandelt, weitere 300.000 bis 600.000 Menschen sind an einer chronischen Niereninsuffizienz erkrankt, und die Zahlen steigen. Einer der Gründe ist die sich verändernde Altersstruktur, die Menschen in Europas werden immer älter und das Alter ist per se mit einem Verlust an Nierenfunktion assoziiert. Der demographische Faktor alleine erklärt die zunehmende Inzidenz der chronischen Niereninsuffizienz jedoch nicht. Auch Lebensstilfaktoren wie falsche und übermäßige Ernährung, mangelnde Bewegung und Rauchen sind mit ihren Folgen Bluthochdruck, Adipositas, Diabetes mellitus und arterielle Gefäßerkrankung an den steigenden Zahlen ursächlich beteiligt. Ist mit der terminalen Niereninsuffizienz das Endstadium einer Nierenerkrankung erst einmal eingetreten, sind die Kosten für die medizinische Versorgung enorm. Die jährlichen Kosten für eine Dialysetherapie in Europa werden auf ca. 80.000 Euro geschätzt. Chronische Nierenerkrankungen werden damit zunehmend auch zu einer ökonomischen Herausforderung für die europäischen Gesundheitssysteme. Die einzigen beiden Optionen, um dem Trend zu einer zunehmenden Dialysepopulation etwas entgegenzusetzen, oder die Zahl der Betroffenen zumindest über einen längeren Zeitraum stabil zu halten, seien, so Professor Cannata-Andía, eine verbesserte Früherkennung chronischer Nierenerkrankungen und die Förderung der Nierentransplantation. „Wir sehen ein großes Potenzial im Bereich der Früherkennung. Früh erkannt kann das Fortschreiten einer Nierenerkrankung aufgehalten, zumindest jedoch verlangsamt werden.“ Der Fortschritt gerade im Bereich der Früherkennung ist rasant. Über molekulare Charakterisierung von Nierenschäden erfahren wir heutzutage in wenigen Monaten oft mehr als zuvor in mehreren Jahrzehnten. „Die Nephrologie ist damit immer noch das gleiche innovative, aufregende und zukunftsweisende Fach wie vor 40 Jahren – das Problem ist, dass wir es vernachlässigt haben, dies zu kommunizieren, und dass die Öffentlichkeit aber auch die Medizinstudenten Nephrologen zunehmend als reine Dialyseanbieter erleben. Hier müssen wir uns neue Ziele setzen, wir müssen vorankommen und die Vorzüge der heutigen Nephrologie der Welt präsentieren.“ Der 55. ERA-EDTA-Kongress findet vom 24. bis 27. Mai 2018 in Kopenhagen statt. Bericht: Rüdiger Zart, Redaktion Bild Copyright: mauritius images / Science Photo Library aus connexi 7-2017 NEPHROLOGIE, DIALYSE, TRANSPLANTATION 54th ERA EDTA 2017 Madrid 41. Nephrologisches Seminar in Heidelberg 26. Erfurter Dialysefachtagung Kongressberichte Copyright Titelbild: