Lokaltherapie neuropathischer Schmerzen
pascal lehwark
Capsaicin als Therapeutikum von Christian Maihöfner, Fürth Die lokale Therapie von neuropathischen Schmerzen stellt eine große Bereicherung für die Schmerzmedizin dar. Durch die Möglichkeit lokal und direkt am Ort der Schmerzentstehung einzuwirken, kann man häufig auch pathophysiologische Vorgänge günstig beeinflussen. Potenzielle Vorteile sind u. a. weniger systemische Nebenwirkungen und weniger Arzneimittelinteraktionen. Eine Substanz, die sich dabei in den letzten Jahren immer mehr bewährt hat, ist das topische Capsaicin. Capsaicin wurde zur Behandlung von Schmerzsyndromen bereits relativ früh eingesetzt. Ein positiver Effekt in der Anwendung bei muskuloskelettalen Problemen ist in diesem Zusammenhang u. a. eine Capsaicin-induzierte Vasodilation. Niedrig dosierte Capsaicinsalben wurden auch zur Therapie von neuropathischen Schmerzen angewandt. Problem der höher dosierten Salben war allerdings häufig eine sehr starke Schmerzinduktion. Verhältnismäßig neu ist dagegen die Applikation von Capsaicin im Rahmen eines hochdosierten Wirkstoffpflasters (8%iges Capsaicin). Dieses Präparat ist zugelassen für die Therapie von peripheren neuropathischen Schmerzen bei Erwachsenen. Seit 2015 besteht auch eine Zulassung für Patienten, die neuropathische Schmerzen und einen Diabetes mellitus haben. Wirkweise Capsaicin bindet an den TRPV1-Rezeptor (Capsaicin-Rezeptor). Im Rahmen der Hochdosistherapie kommt es zu einem starken Kalziumeinstrom, der vermutlich Proteasen aktiviert. Dadurch kommt es zu einer Degradation von Zytosklettanteilen. Es resultiert eine Defunktionalisierung von kleinen Nervenfasern, die in der Pathophysiologie des neuropathischen Schmerzes eine besondere Rolle spielen. Studienlage Die initialen Studien, die zur Einführung des 8%igen Capsaicin-Pflasters führten, wurden bei Patienten mit einer HIV-assoziierten Neuropathie und einer Post-Zoster-Neuralgie durchgeführt. Nach einer einmaligen Gabe zeigte sich eine frühe Schmerzreduktion, die statistisch über drei Monate lang anhielt. In einer nicht-interventionellen Studie (QUEPP-Studie) wurde demonstriert, dass das 8%ige Capsaicin-Pflaster bei einer großen Anzahl von weiteren neuropathischen Schmerzsyndromen hilfreich ist. Dazu zählen u. a. posttraumatische Neuralgien, postoperative Neuralgien, Radikulopathien, CRPS (complex regional pain syndrome) und Polyneuropathien. Mögliche Prädiktoren für das Ansprechen auf Capsaicin In der QUEPP-Studie zeigte sich, dass der frühe Einsatz des Capsaicin-Pflasters eine bessere Wirksamkeit prädiziert. Zwar profitieren auch Patienten mit langandauernden neuropathischen Schmerzen (in einer Subgruppe auch über 10 Jahre), allerdings in einem geringeren Ausmaß als Patienten mit einem eher kurz andauernden neuropathischen Schmerz. Ob der Phänotyp des neuropathischen Schmerzes eventuell eine Wirkung prädizieren könnte, wurde in einer aktuellen Studie mittels quantitativ sensorischer Testung untersucht. Dabei zeigte sich, dass in einem gewissen Umfang die Präsenz einer Kältehyperalgesie und einer mechanischen Hyperalgesie ein positives Ansprechen auf Capsaicin vorhersagen kann. Das Fehlen einer Kältehyperalgesie oder einer mechanischen Hyperalgesie sollte allerdings nicht als Ausschlusskriterium für die Anwendung von Capsaicin verstanden werden. Die Ergebnisse demonstrieren aber grundsätzlich, dass bestimmte sensorische Mechanismen mit einem besseren Ansprechen auf Capsaicin einhergehen könnten. Applikationsdauer und Spezialfall Polyneuropathie Die Applikationsdauer des Capsaicin-Pflasters beträgt 30 Minuten an den Füßen und 60 Minuten an anderen Körperstellen. In den Studien zeigt sich auch eine Wirksamkeit bei verschiedenen Polyneuropathien. In diesem Zusammenhang wird häufig die Frage gestellt, ob der gesamte Fuß eingewickelt werden muss. Hierzu ist es in der Praxis hilfreich, sich zunächst die individuelle Schmerzzeichnung des Patienten anzuschauen. Häufig gelingt es, ein „Punctum maximum“ des Schmerzes bei einer distal symmetrischen Polyneuropathie (beispielsweise am Fußrücken) zu charakterisieren. Dieses Konzept des „lokalisierten Schmerzes“ wurde mittlerweile bei einer Reihe von neuropathischen Schmerzsyndromen in der wissenschaftlichen Literatur bestätigt. Die Applikation des Capsaicin-Pflasters am gesamten Fuß ist daher sicherlich nicht immer nötig. Eine exakte Bestimmung des Hauptschmerzbereiches und dessen Behandlung führt häufig zu einer zielgerichteten Schmerzreduktion. Fazit Die topische Anwendung von Capsaicin führt bei einer Vielzahl von neuropathischen Schmerzsyndromen zu einer signifikanten Schmerzreduktion. Mögliche Prädiktoren für ein positives Ansprechen sind ein früher Therapiebeginn und die Präsenz einer Hyperalgesie. Literatur beim Verfasser Copyright: iStockphoto® Mongpro Autor: Prof. Dr. med. Christian Maihöfner neurologie@klinikum-fuerth.de aus connexi 2-2016 14. bis 17. Oktober 2015 Mannheim Deutscher Schmerzkongress Konferenzbericht