Kinderwunsch HIV-positiver Frauen

Möglichkeiten, Rechtslage, Kostenerstattung und Zentren von Anke Reitter, Frankfurt am Main     75 % der HIV-positiven Menschen sind 20−40 Jahre alt. Viele Frauen haben den Wunsch nach eigenen Kindern und möchten eine Familie gründen. Die HIV-Schwerpunktpraxen und HIV-Behandler sind oft die ersten, die von einer Schwangerschaft erfahren oder sie auch feststellen. Die antiretrovirale Therapie (ART) der HIV-Erkrankung hat viel Normalität in das Leben der betroffenen Frauen gebracht. Da das Risiko einer Infektionsübertragung inzwischen sehr gering ist, steht dem Kinderwunsch mit einer HI-Viruslast (VL) unter der Nachweisgrenze grundsätzlich nichts entgegen. Die Kinderwunschtherapie ist einfacher geworden.   Genau wie bei HIV-negativen Frauen ist eine Schwangerschaft oft ungeplant, aber nicht unerwünscht [1−4]. Eine Schwangerschaft ist heute sicher möglich, eine Mutter-zu-Kind-Übertragung ist gering (Risiko <1 %), wenn eine ART zur völlig supprimierten HI-Viruslast geführt hat. Allgemeine Schwangerschaftsrisiken und Koinfektionen sind wie in jeder anderen Schwangerschaft frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln. Eine vaginale Geburt ist möglich, in Deutschland wird zum Stillverzicht geraten, ein Stillverbot wird bewusst nicht ausgesprochen [5]. Es sind keine vermehrten Fehlbildungen beschrieben, aber Langzeitrisiken durch intrauterine ART-Exposition noch nicht völlig klar (mitochondriale Toxizität) [6].   Unerfüllter Kinderwunsch   Bei manchen Paaren ist der Kinderwunsch unerfüllt und wird dann nicht immer aktiv angesprochen, eine frühzeitige Überweisung an einen Reproduktionsmediziner ist jedoch empfohlen. Die Fertilität könnte durch HIV/ART reduziert sein [7,8]. Die Diagnose der eingeschränkten Fertilität ist anzunehmen, wenn nach sechs bis zwölf Monaten KEINE Schwangerschaft eintritt.   Die Ursachen des unerfüllten Kinderwunsches können vielfältig sein, die prämature Menopause bei HIV kann durch ART/HIV und eine veränderte Ovarialfunktion bedingt sein, es gibt vielfältige andere Noxen.     Prämature Menopause Diagnose: Amenorrhoe, Ausbleiben der Menstruation für >1 Jahr (Abgrenzung zu anderen Ursachen der Amenorrhoe, die ebenfalls bei HIV-positiven Frauen häufiger vorkommt, Anovulation, Wasting Syndrom, AIDS-Stadium etc.)   Labor: FSH (Follikelstimulierendes Hormon) erhöht (>20 mU/l oder >12 IE/l), Östradiol erniedrigt (<25 ng/l), Progesteron erniedrigt (<5 ug/l), AMH (Anti-Müller-Hormon) <0,8−1 ug/l, Inhibin <45 ng/l                                 Allgemein gilt, dass HIV-infizierte Menschen mit ART und VL unter Nachweisgrenze und ohne andere STDs nicht infektiös sind. Das Statement der Eidgenössischen Kommission für AIDS-Fragen (EKAF-Statement) von 2008 hat auch eine mögliche Kinderwunschtherapie vereinfacht [9]. In der aktuellen Deutsch-Österreichischen Leitlinie Dia­gnostik und Behandlung HIV-betroffener Paare mit Kinderwunsch wird im Einzelnen aufgeführt: Ist der Mann HIV-positiv, muss der Infektionsschutz der HIV-negativen Partnerin be­­rücksichtigt werden. Ist die Frau HIV-positiv, muss neben dem Infektionsschutz des HIV-negativen Partners auch das Infektionsrisiko des Kindes berücksichtigt werden.   Sind beide Partner HIV-positiv, muss das Infektionsrisiko des Kindes ebenso berücksichtigt werden wie die etwaige Vermeidung der Übertragung resistenter Viren zwischen den Partnern.   Der Geschlechtsverkehr ohne Kondom zum optimalen Zeitpunkt wird empfohlen, bei negativer VL kann Geschlechtsverkehr ohne Kondom plus Präexpositionsprophylaxe (PrEP)1 zum optimalen Zeitpunkt (bei sehr hohem Sicherheitsbedürfnis des Paares) ebenfalls empfohlen werden. Die Selbstinsemination im Fall der HIV-Infektion der Frau ist bei negativer VL unter ART zunehmend in den Hintergrund getreten [10].   Die Bestimmung der Ovulation und ein Zyklus­monitoring (sonographische Follikelmessung, serologische Bestimmung des LH Peak 20. Zyklustag) kann bei Kinderwunsch vom betreuenden Frauenarzt unabhängig von einem Kinderwunschzentrum durchgeführt werden. Die Ovulation kann medikamentös unterstützt werden. Falls noch keine ART eingenommen wird, sollte diese vor Verwirklichung des Kinderwunsches gestartet werden. Die ART ist nach heutigen Gesichtspunkten sicher.   Kinderwunschbehandlung HIV   Die Schwangerschaftsrate liegt mit 17 % pro Embryotransfer unter denen des Vergleichskollektivs mit 26 % (11-13). Alle eingesetzten gängigen Verfahren (IVI; IUI, IVF, ICSI) werden angeboten.     Intravaginale Insemination (IVI): vergleichbar­ mit der Selbstinsemination in der Klinik/Praxis Intrauterine Insemination (IUI): frisches Sperma wird mit Kathetersystem intrauterin platziert; vorher Stimulation und Eisprung mit HCG auslösen In-vitro-Fertilization (IVF): klassische Kinderwunschbehandlung nach hormoneller Downregulation, dann Stimulation und Eizellentnahme; im Reagenzglas erzeugte Embryonen Intracytoplasmic Sperm Injection (ICSI): spezielle IVF-Technik, insbesondere bei männlicher Subfertilität                               In Deutschland ist die Eizellspende* und Leihmutterschaft verboten. Eine Adoption und Samenspende ist nicht verboten. Die gynäkologische Basisdiagnostik bei Kinderwunsch Bimanuelle Untersuchung, Palpation, Sonographie, Tubendurchgängigkeitsprüfung (Hysterokontrastsonographie) ggf. Laparoskopie Endokrinologische Diagnostik (E2, LH, P, DHEAS, FSH, Testosteron, SHBG, TSH**) Allgemeine Untersuchung, Zervixabstrich (PAP, Chlamydien PCR), Serologie (Röteln, Varizellen, TPHA, CMV, HBV, HCV), vaginale Sanierung Andrologische Basisdiagnostik bei Kinderwunsch­ Noxenabklärung: Nikotin, Alkohol, toxische Substanzen Spermiogramm, Ejakulatkultur Serologie (HBV, HCV, TPHA), Abstrich auf HPV+GO, Chlamydien-PCR im Urin Die Spermaqualität HIV-positiver Männer ist im Vergleich zu HIV-negativen Männern häufig eingeschränkt [14, 15]. Allgemeine Ratschläge sind: Karenz Nikotin, Alkohol, Drogen „Avoid tight fitting pants (male), bicycle riders”, Geschlechtsverkehr zum optimalen Zeitpunkt Gewichtsreduktion/-optimierung und gesunder Lebensstil Eine HIV-Infektion durch Kinderwunschbehandlung ist nach aktueller Datenlage nicht beschrieben [16, 17].     CREAThE (europäischer Zusammenschluss reproduktionsmedizinischer Zentren):   Multizentrische Studie an 1.036 Paaren mit HIV-positivem Partner. In 3.390 Behandlungszyklen mit aufbereitetem Sperma kam es in keinem Fall zu einer Serokonversion der HIV-negativen Partnerin [18].                     Kosten der Kinderwunschbehandlung   Seit September 2009 ist die Kinderwunsch­behandlung bei Paaren (bei denen ein oder beide Partner HIV-infiziert sind) erstattungsfähig. Es kam so zur Gleichstellung zu HIV-negativen Paaren, d. h. Kostenübernahme der GKV von 50 % für die ersten drei Inseminationen in stimulierten/IVF-/ICSI-Behandlungszyklen. Die Kostenübernahme ist für alle verheirateten, gesetzlich versicherten Paare in Fertilitätsbehandlungen auf maximal 50 % der Behandlungskosten begrenzt [19]. Eine Kostenübernahme erfolgt bei verheirateten Paaren bei Therapiebeginn, nachdem das 25. Lebensjahr vollendet ist, wenn die Frau nicht älter als 40 Jahre und der Mann nicht älter als 50 Jahre sind. Seit 2016 erfolgt die Kostenübernahme auch bei unverheirateten Paaren.       Kosten (nach www.fertilitycenterberlin.de) Insemination ohne Stimulation     ca. 61 Euro Insemination mit Stimulation        ca. 84 Euro In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryotransfer     ca. 567 Euro Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) Embryotransfer     ca. 754 Euro Anästhesiekosten     ca. 150 Euro Kosten für den gesetzlich versicherten Mann     ca. 18 Euro Erstellung des Behandlungsplanes     ca. 4 Euro Hinzu kommt der Eigenanteil für die Medikamente: Je nach Therapie ca. 100 bis 1.000 Euro pro Versuch.                                     Die ersten gesetzlichen Krankenkassen erstatten ihren Patienten den Eigenanteil, der je nach Therapie (Insemination, In-vitro-Fertilisation oder ICSI) bei bis zu 2.000 Euro pro Zyklus liegen kann. Gesetzliche Krankenkassen, die 2017 für die Versuche 1–3 100 % der Kosten bei Kinderwunschbehandlungen übernehmen, wenn beide Ehepartner dort versichert sind: DAK, BAHN BKK, IKKBB                         Rahmenbedingungen für die Kinderwunschbehandlung   Die Anforderungen an die Qualifikation der Ärzte, die reproduktionsmedizinische Behandlungen durch­führen, ist genau definiert (Em­bryo­nenschutzgesetz, Gewebeschutz­gesetz, Arz­­nei­­mittelgesetz). Im Labor sollten nach diesen Vor­gaben für infektiöse Proben „Separation in space and time“ Einmalmaterial verwendet werden sowie ein eigener Laborbereich vorhanden sein und Kryokonservierung im eigenen Bereich stattfinden.    Kontakte zu Kinderwunschzentren   Liste von Kinderwunschzentren für HIV-betroffene Eltern des Bundesverbandes für Reproduktionsmediziner (BRZ) (Stand September 2017)     http://repromed.de/service/aktuelles/ Université Louis Pasteur Strasbourg, Centre d’AMP de Strasbourg, Service de Gynecologie-Obstetrique, CMCO-SIHCUS 19 rue Louis Pasteur, BP 120–67303 Schiltigheim, Frankreich      http://www.sihcus-cmco.fr     Frau Dr. Ohl Département de Gynécologie-Obstétrique, Hôpital Erasme, Université Libre de Bruxelles 808 Lennik, 1070 Bruessel, Belgien    http://www.ulb.ac.be L’Ospedale Luigi Sacco, Via G.B. Grassi 74, 20157 Milano, Italien     http://www.hsacco.it     Literatur: Coll O et al. Reprod Biomed Online. 2007; 14(4): 488−94. Fiore S et al. Hum Reprod. 2008; 23: 2140−4. Floridia M et al. Antivir Ther. 2006;11(7): 941−6. Koenig LJ et al. Am J Obstet Gynecol. 2007; 197(3 Suppl): 123−131. http://www.daignet.de Deutsch-Österreichische Leitlinie HIV Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen. März 2017 Anitretrovirale pregnancy register http://www.apregistry.com Fakoya A et al. HIV Medicine, 2008; 9: 681−720. Waters L et al. Int J STD & AIDS 2007; 18: 1−6. Vernazza P et al. Schweizerische Ärztezeitung 2008; 89(5):165−169. http://daignet.de/site-content/hiv-therapie/leitlinien-1/Diagnostik%20und%20Behandlung%20HIV%20betroffener%20Paare%20mit%20Kinderwunsch%202011.pdf van Leeuwen E et al. Human Reprod. 2007; 13(2): 197−206. Coll O et al. AIDS 2006; 20: 121–123. López S, Coll O, Durban M. Antivir Ther. 2008; 13: 833−838. Nicopoullos JD, Almeida PA, Ramsay JW et al. Human Reprod. 2004; 19: 2289−2297. Bujan L, Sergerie M, Moinard N et al. J Androl 2007; 28(3): 444−452. Vernazza P et al. Schweizerische Ärztezeitung 2008; 89(5): 165−169. Vernazza P, Bernhard EJ. Swiss Medical Weekly. 2016 146: w14246. Bujan L, Hollander L, Coudert M, et al. AIDS 2007; 21: 1909−1914. Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung. In: Bundesanzeiger G2006, Nr. 31:922. Unter: http://www.repromedizin.de/fileadmin/ethik/rl-befruchtung-2005_11_15.pdf   *Embryonenschutzgesetz in Deutschland; Eizellspenden in vielen Nachbarländern erlaubt, aber anonym **falls TSH <2,5 dann auch L-Thyroxin 25-50 µg/die In der Kinderwunschbehandlung wird heute auch Progesteron oral/lokal zur Stützung der Lutealphase eingesetzt und als rheologische Maßnahme Acetylsalicylsäure 75−100 mg oder Heparin s.c eingesetzt.   Copyright Bild:  Shutterstock® Ramona Heim   Autorin           Dr. med. Anke Reitter areitter@khs-ffm.de                       aus connexi  10-2017 AIDS und Hepatitis dagnä-Workshop 2017 in Köln Kongressbericht       Titelbild Copyright dagnä e.V. Gestaltung: Jens Vogelsang, Aachen    
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