Keine Spendernieren. Keine Transplantationen
Anja Lamprecht
Bringt 2019 den Durchbruch für Patienten und Transplantationszentren? Die Transplantationszahlen waren 2017 auf einem historischen Tief und trotz geringer Erholung im Jahr 2018 bleibt die Situation besorgniserregend, erklärte der Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) Prof. Dr. Bernhard Banas auf dem Jahreskongress im November 2018 in Berlin. Erklärtes Ziel müsse es sein, in der Transplantationsmedizin wieder eine Versorgungsqualität auf dem Niveau unserer Nachbarländer zu erreichen. Während uns aus Ländern wie Österreich, Irland und Spanien in den letzten Jahren Meldungen erreicht haben, dass die Nierentransplantation die Dialyse als das am häufigste Nierenersatzverfahren bei terminaler Niereninsuffizienz abgelöst hat, fielen die Transplantationszahlen in Deutschland für das Jahr 2017 ernüchternd aus [1]. Mit 9,3 postmortalen Organspendern pro Million Einwohner verfehlte Deutschland erstmalig die Marke von 10 Spendern pro eine Million Einwohner. Diese gilt im Eurotransplant (ET)-Verbund als Voraussetzung für ein „ernst zu nehmendes Organspendesystem“. Nur Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Albanien hatten weniger Spender. Zum Vergleich: In Belgien waren es 30,7, in Ungarn 15,4, in Österreich 23,5 und in Kroatien 31,8. Gute Zahlen von denen Deutschland seit Jahren profitiert. Im Jahr 2017 wurden laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 175 Organe mehr aus den ET-Staaten transplantiert, als aus Deutschland dorthin abgegeben wurden [1]. Spenderzahlen auf Allzeithoch Das es auch anders geht, zeigt einmal mehr das Beispiel Spanien. Der langjährige weltweite Spitzenreiter in der Transplantationsmedizin meldete für 2017 mit 46,9 Spender pro Million Einwohner erneut einen historischen Höchststand, 8 % mehr Spenderorgane als im Vorjahr und ein Anstieg um 30 % in den vergangenen drei Jahren. Professor Banas meinte dazu: „Auch die geringe Steigerung im Jahr 2018 in Deutschland (11,5 Spender pro Million Einwohner [DSO]) darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der transplantierten Organe nur ein Bruchteil von dem darstellt, was unsere Nachbarländer erreichen und was somit auch bei uns möglich sein sollte.“ In Deutschland wartet ein Patient im Durchschnitt acht bis zehn Jahre auf eine neue Niere, in vielen Nachbarländern hingegen nur zwei Jahre (s. a. Editorial auf Seite 3). Das führte unter anderem dazu, betonte Banas, dass in Deutschland viel zu viele Patienten auf der Warteliste versterben oder von der Warteliste genommen werden müssen, weil ihr Allgemeinzustand nach langer Wartezeit nicht mehr gut genug ist, um eine Transplantation zu überstehen. Sicher ist, dass etwas geschehen muss, wenn man in Deutschland die Transplantationsmedizin nicht aufgeben will. Das sah nun auch der Gesetzgeber so. Am 14. Februar 2019 hat der Deutsche Bundestag dem „Zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“, mehrheitlich zugestimmt. Am 15. März 2019 wurde es auch vom Bundesrat gebilligt [2]. Der entscheidende Schlüssel für bessere Organspende liegt in den Kliniken. Dort fehlt häufig Zeit und Geld, um mögliche Organspender zu identifizieren. Das Gesetz möchte das ändern. Freistellung der Transplantationsbeauftragten Das Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes gibt verbindliche Vorgaben für die Freistellung der Transplantationsbeauftragten. Danach können Transplantationsbeauftragte künftig von ihren sonstigen Aufgaben anteilig freigestellt werden. Die betroffenen Kliniken bekommen eine vollständige finanzielle Erstattung für den Ausfall. Die Freistellung erfolgt auf der Grundlage der Anzahl der Intensivbehandlungsbetten in den Entnahmekrankenhäusern. Der Aufwand wird vollständig refinanziert. Transplantationsbeauftragte erhalten Zugangsrecht zu den Intensivstationen. Sie sind hinzuzuziehen, wenn Patientinnen und Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen. Ihnen sind alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotenzials zur Verfügung zu stellen. Bessere Vergütung der Entnahmekrankenhäuser Entnahmekrankenhäuser werden künftig für den gesamten Prozessablauf einer Organspende besser vergütet. Sie erhalten einen Anspruch auf pauschale Abgeltung für die Leistungen, die sie im Rahmen des Organspendeprozesses erbringen. Zusätzlich erhalten sie einen Ausgleichzuschlag dafür, dass ihre Infrastruktur im Rahmen der Organspende in besonderem Maße in Anspruch genommen wird. Neurologische/neurochirurgische Rufbereitschaft Damit die Kliniken jederzeit handlungsfähig sind, soll bundesweit bzw. flächendeckend ein neurologischer/neurochirurgischer konsiliarärztlicher Rufbereitschaftsdienst eingerichtet werden. Dieser soll gewährleisten, dass auch kleineren Entnahmekrankenhäusern jederzeit qualifizierte Ärzte bei der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Verfügung stehen. Die TPG-Auftraggeber (GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Bundesärztekammer) werden verpflichtet, bis Ende 2020 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dieses Bereitschaftsdienstes zu beauftragen. Klinikinterne Qualitätssicherung Ein neues klinikinternes Qualitätssicherungssystem schafft die Grundlage für ein flächendeckendes Berichtssystem bei der Spendererkennung und Spendermeldung. Dabei sollen die Gründe für eine nicht erfolgte Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls oder eine nicht erfolgte Meldung an die Koordinierungsstelle (DSO) intern erfasst und bewertet werden. Die Daten sollen von der Koordinierungsstelle ausgewertet werden. Die Ergebnisse sollen den Entnahmekrankenhäusern und den zuständigen Landesbehörden übermittelt und veröffentlicht werden. Angehörigenbetreuung gesetzlich geregelt Das Gesetz schafft eine klare rechtliche Grundlage für den Austausch von anonymisierten Schreiben zwischen Organempfängern und den nächsten Angehörigen der Organspender. Ein solcher Austausch ist vielen Betroffenen ein besonderes persönliches Anliegen. Sobald der Bundespräsident das Vorhaben unterzeichnet hat, kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll am ersten Tag des Folgemonats in Kraft treten. Bericht: Rüdiger Zart Quellen: DTG, DGfN, DSO Referenzen DSO. Jahresbericht 2017. Verfügbar unter: www.dso.de/uploads/tx_dsodl/JB_2017_web_01.pdf Bundesrat. Beschluss: Bessere Betreuung bei Organspenden. Verfügbar unter: www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/19/975/05.html?nn=12149450#top-5 Bild Copyright: Science Photo Library / L. 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