Kardiologie 2015 - Im Fokus: Herzinsuffizienz

  Interview mit dem Kongresspräsidenten Professor Dr. Stephan Felix, Greifswald   Vom 08. bis 11. April 2015 fand die 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie − Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) in Mannheim statt. Insgesamt 8.500 Teilnehmer aus 34 Ländern diskutierten aktuelle Entwicklungen aus allen Bereichen der Kardiologie. Einer der Schwerpunkte dieser Jahrestagung war das Thema Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz (HI). Im Rahmen des Kongresses wurden innovative Diagnose- und Therapieverfahren vorgestellt, die zur Verbesserung der Versorgungsqualität bei HI beitragen sollen. Darüber sprach connexi mit dem Tagungspräsidenten Prof. Dr. Stephan Felix, Greifswald.   Herr Professor Felix, obwohl in der Kardiologie große Fortschritte zu verzeichnen sind, steht das Fachgebiet aktuell vor neuen großen Herausforderungen. Im Mittelpunkt des diesjährigen Kongresses stand die Herzinsuffizienz. Warum dieses Krankheitsbild? Die Herzinsuffizienz ist ein Problem, das nach wie vor nicht gelöst ist und bei dem noch enormer Forschungsbedarf besteht, und zwar gleichermaßen für die Grundlagen- wie auch die klinische Forschung. Die Prävalenz ist unverändert hoch. Die Prävalenz der Herzinsuffizienz liegt in Europa bei ca. 1 bis 2 %. Die 5-Jahres-Letalität der Herzinsuffizienz liegt im Bereich der von Tumorerkrankungen. Es gibt also viele gute Gründe, einer der häufigsten Todesursachen in Deutschland auf den Grund zu gehen, praktische und wissenschaftliche Aspekte auf dem jährlichen Kongress zu beleuchten.   Worin sehen Sie die Ursachen für die hohe, vielleicht sogar wachsende Prävalenz? Die Kardiologie gehört zwar zu jenen Fächern der Medizin, die in den vergangenen Jahren besonders große Fortschritte verbuchen konnte. So werden z. B. in Deutschland flächendeckend Katheterlabore vorgehalten, in denen Patienten mit einem akuten Herzinfarkt der einzig sinnvollen therapeutischen Intervention zugeführt werden, nämlich der Akut-PTCA. Hierdurch ist die Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt während der letzten Jahrzehnte deutlich gesunken. Paradoxerweise ist es aber auch eine Konsequenz dieser Erfolge, dass die Herzinsuffizienz kontinuierlich an Bedeutung gewinnt. Immer mehr Menschen uüberleben einen akuten Herzinfarkt, erkranken später aber an einer Herzschwäche. Auch die steigende Lebenserwartung erhöht das Risiko an Herzinsuffizienz, Herzklappen- oder Herzrhythmuserkrankungen zu leiden. Herzinsuffizienz ist auch eine Erkrankung des älteren Menschen. Die Diagnose wird immer häufiger gestellt, weil die Anzahl dieser Patienten wächst.   Wo können herzinsuffiziente Patienten schon von Fortschritten profitieren, in welchen Bereichen liegen noch Defizite? Während der letzten Dekaden konnten bei der medikamentösen Therapie der systolischen Herzinsuffizienz Erfolge erzielt werden. In den letzten 20 Jahren sind zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz die Beta-Blocker, ACE-Hemmer und Aldosteron-Antagonisten auf den Markt gekommen. Sie sind gut wirksam und neueste Studien haben gezeigt, dass ein sehr früher Einsatz dieser Medikamente die Prognose der Patienten verbessert. Und es ist „Bewegung in der Forschung“, obwohl gerade die Entwicklung neuer Präparate viel Zeit braucht. Im vergangenen Jahr wurden auf großen internationalen Fachkongressen auch neue Medikamente vorgestellt, die vielversprechend sind. Die PARADIGM-HF-Studie hat z. B. gezeigt, dass eine Therapie der systolischen Herzinsuffizienz mit dem neuen Wirkstoff LCZ696, der das Enzym Neprilysin hemmt und gleichzeitig den AT1- Rezeptor blockiert, prognostisch günstiger ist im Vergleich zur konventionellen Therapie mit ACE-Hemmern. Noch kein gesichertes Therapieverfahren gibt es jedoch zur Behandlung der diastolischen Herzinsuffizienz, keine Medikamente, deren Wirksamkeit in Studien nachgewiesen ist und die die Prognose verbessern. Auch die Prognose der akuten HI ist mit einer 1-Jahressterblichkeit von ca. 35 % unverändert schlecht und konnte bisher trotz hoher Investitionen in neue Therapieverfahren nicht gebessert werden. Wichtig ist deshalb jetzt, neue Erkenntnisse zu bündeln und praxistauglich weiter zu entwickeln. Dafür wollen wir auf unseren Jahrestagungen Grundlagenforscher und klinisch tätige Kollegen zusammenbringen. Wir müssen die molekularen Ursachen von der Dysfunktion der Diastole und Systole bis hin zur Herzinsuffizienz erkennen, um für die Entwicklung innovativer Therapieverfahren, wie z. B. Gentherapien, molekulare Targets identifizieren und nutzen zu können.   Wie spiegelte sich dieses Vorhaben konkret im Kongressprogramm wider? In einer Sitzung ging es z. B. um eine noch bessere Diagnostik von Kardiomyopathien als eine der Ursachen für die Herzinsuffizienz, um daraus therapeutische Konsequenzen abzuleiten. Weitere Sitzungen waren den molekularen und zellularen Ursachen für den benignen Umbau des Herzmuskels während der Entwicklung einer Herzinsuffizienz gewidmet. Eine weitere Sitzung beschäftigte sich mit neuen Strategien, die sich noch in der experimentellen Phase befinden. Man hat inzwischen Erkenntnisse, dass sog. MikroRNAs eine wichtige genregulatorische Funktion haben. Sie könnten sich als gutes Target für die Diagnose, aber auch für die Therapie der Herzinsuffizienz erweisen. Bei gentherapeutischen Überlegungen geht es darum, Gen-Konstrukte in die Kardiomyozyten einzubringen, die dafür sorgen, dass bestimmte Proteine verstärkt exprimiert werden, um die Pumpleistung des Herzens zu verbessern. Ein weiteres wichtiges Thema waren Biomarker. Um eine Therapie zum richtigen Zeitpunkt intensivieren zu können, müssen wir rechtzeitig erkennen, welcher Patient ein Risiko hat, eine manifeste Herzinsuffizienz zu entwickeln. Für diese Risikostratifizierung können Biomarker ein wertvolles Instrument sein. Ein wissenschaftlich großes und interessantes Feld in der Grundlagen- wie in der klinischen und translationalen Forschung sind Arrhythmien bei HI-Patienten. Hier war eine Sitzung der Diagnostik und Therapie von Rhythmusstörungen bei Herzinsuffizienz gewidmet. Last but not least spielt auch die Prävention eine große Rolle in den Diskussionen. Haben wir früher Bettruhe empfohlen, so gilt heute körperliche Bewegung unter ärztlicher Überwachung als sinnvolle präventive Maßnahme, um eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz zu verhindern. Auch dieses Therapiekonzept muss in prospektiven Studien validiert werden und wurde deshalb hier in Mannheim als Thema adressiert. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Aktivitäten des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), die auf dem Kongress präsentiert und diskutiert wurden. Auch hier spielt die Herzinsuffizienz eine zentrale Rolle. So wurde das Studienprogramm des DZHK vorgestellt, ein Register über die Entstehung der Herzinsuffizienz bei linksventrikulärer systolischer Dysfunktion (Transition CHF), ein Register über die Kardiomyopathie (TORCH-Register), eine kardiochirurgische Studie über die Therapie der terminalen Herzinsuffizienz mit einem implantierbaren Gerät zur Unterstützung des linken Ventrikels (VAD-Studie) und viele weitere interessante Aspekte, die alle aufzuzählen hier den Rahmen sprengen würde. Wir hatten insgesamt 180 wissenschaftliche Sitzungen, 1.928 Vorträge, 1.767 Abstracts und Poster.   Ich kann mir vorstellen, dass die Tagungspräsidentschaft für einen Kongress mit 8.500 Teilnehmern neben der täglichen Arbeit als Klinikdirektor sehr anstrengend ist. War die Kongresspräsidentschaft für Sie trotzdem eine angenehme Erfahrung? Die Tagungspräsidentschaft war sicherlich anstrengend. Bei der Organisation dieser Frühjahrstagung haben die Geschäftsstelle und die Programmkommission der DGK sehr geholfen. Für mich war die Tagungspräsidentschaft eine sehr angenehme Erfahrung.   Vielen Dank, Herr Professor Felix, für dieses Gespräch.     Im Interview:           Prof. Dr. Stephan Felix, Greifswald felix@uni-greifswald.de     Die Fragen stellte Elke Klug.     aus connexi  4-2015 8. bis 11. April 2015 Mannheim 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie Kongressbericht
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