Intestinales Mikrobiom

Darmflora als Trigger systemischer Entzündung bei CKD von Hans-Joachim Anders, München   Die chronische Niereninsuffizienz (CKD) geht mit einer systemischen Entzündung einher, was laborchemisch durch ein erhöhtes C-reaktives Protein und klinisch durch eine endotheliale Dysfunktion, beschleunigte Atherosklerose, Muskelschwund und einen allgemeinen Katabolismus in Erscheinung tritt. Bei Dialysepatienten wurde das Phänomen zunächst durch unzureichende Wasserqualität, später auch durch die künstlichen Oberflächen der extrakorporalen Zirkulation und des Dialysators erklärt. Nachdem Biomarker der systemischen Entzündung jedoch auch schon bei Prädialysepatienten beobachtet werden, muss es offenbar auch endogene Ursachen geben.   Auf endogene Ursachen hinweisend sind erhöhte Spiegel von bakteriellem Endotoxin im Blut von CKD-Patienten, aber wo ist die Quelle dieses Endotoxins? Sind es subklinische Infektionen oder Barrierestörungen nach außen?   Wir verstehen den menschlichen Körper als singulären Organismus, der in seiner Umwelt, seinem Habitat oder Biotop lebt. Stattdessen ist der menschliche Körper selbst ein Biotop für eine Vielzahl von Organismen, die ihn besiedeln. Der Mensch gleicht dabei eher einem von vielen Spezies besiedelten Planeten. Allein schon die Zahl der bakteriellen Zellen der Darmflora übersteigt die Anzahl an menschlichen Zellen mindestens um das Zehnfache.     Darmbarriere und Symbionten   Der menschliche Organismus betreibt einen erheblichen Aufwand, um die Zahl der in den Körper eindringenden bakteriellen Zellen (und ihrer bakteriellen Toxine) so gering wie möglich zu halten. Entscheidend hierbei sind die epithelialen Barrieren unter anderem der Haut, der Lunge und der Darmschleimhaut. Symbiotische Bakterien spielen bei der Barrierefunktion eine wichtige Rolle, in dem sie Pathobionten in Schach halten. Gerät das Gleichgewicht zwischen Symbionten und Pathobionten aus den Fugen, wie etwa bei einer Antibiotika-assoziierten Kolitis, oder kommt es zu strukturellen Barriereschäden, wie etwa bei Darmulzera, nimmt die Zahl der eindringenden Bakterien deutlich zu und es kommt zu einer systemischen Abwehrreaktion bis hin zur Sepsis.     Leaky Gut   Umfangreiche Studien belegen, dass nicht nur Antibiotika, sondern auch Ernährungsgewohnheiten und Diäten, aber auch intrinsische Veränderungen wie Altern und chronische Krankheiten das Fließgleichgewicht zwischen Darmbarriere und Darmflora verändern. Da liegt es nahe, dass auch die Urämie mit ihren multiplen Änderungen der Homöostase (Azidose, Azotämie, Urämietoxine, Einnahme von Phosphatbindern, proteinarme Diät etc.) hier einen Einfluss hat. Tatsächlich zeigen Patienten, aber auch Ratten und Mäuse mit CKD Verschiebungen der Darmflora hin zu mehr Pathobionten. Eigene Untersuchungen mit fluoreszenzmarkierten Escherichia (E.)-coli-Bakterien belegen eine CKD-assoziierte Störung der Darmbarriere. Aus Lebern von CKD-Mäusen waren sogar grüne E.-coli-Kolonien anzüchtbar. Solche Tiere zeigten auch erhöhte Lipopolysaccharid (LPS)-Spiegel im Blut und eine Vielzahl von Biomarkern belegte die systemische Entzündung von CKD-Mäusen. Die Gabe einer Kombination von Antibiotika führte nicht nur zu einer vollständigen Eradikation der Darmflora, sondern normalisierte auch sämtliche systemischen Entzündungsparameter. Aus diesen Untersuchungen schlussfolgerten wir, dass es bereits bei der chronischen Niereninsuffizienz zu einer Fehlbesiedlung im Darm kommt und die Darmbarriere gestört wird, wodurch es zu einem vermehrten Übertritt von Bakterien aus dem Darm in den Körper kommt. Die Aktivierung von Abwehrmaßnahmen durch die multiplen Mechanismen der angeborenen Immunität (Pentraxine wie C-reaktives Protein, Zytokine wie TNF-alpha und IL-6) aktivieren zudem das Endothel und können so wahrscheinlich die Gefäßdegeneration und Atherogenese beschleunigen. Durch die permanente Immunaktivierung kommt es durch die gleichzeitige Aktivierung von gegenregulatorischen Mechanismen (Endotoxintoleranz) zudem zu einer Immunparalyse. Dies könnte den Status der erworbenen Immundefizienz und die gehäuft auftretenden Infektionen bei CKD-Patienten erklären.     Fazit   Veränderungen der Darmflora und eine gestörte Darmbarriere (leaky gut) könnten in erheblichem Maße an den Todesursachen von CKD und Dialysepatienten beteiligt sein. Inwiefern gezielte Interventionen, beispielsweise durch die Gabe von Probiotika, positive Effekte ausüben könnten, ist jedoch noch völlig unklar und Gegenstand weiterer Untersuchungen.        Referenz Andersen K, Kesper MS, Marschner JA et al. Intestinal dysbiosis, barrier dysfunction, and bacterial translocation account for CKD-related systemic inflammation. J Am Soc Nephrol 2017; 28(1): 76–83.     Autor:           Prof. Dr. med. Hans-Joachim Anders hjanders@med.uni-muenchen.de                   aus connexi  1-2018 Nephrologie, Hypertensiologie, Dialyse, Transplantation DGfN in Mannheim, DTG in Bonn, ESOT in Barcelona Kongressberichte       Titelbild Copyright Shutterstock® Palau Gestaltung: Jens Vogelsang, Aachen    
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