Eine Frage der Proportionen
von Michael Kaplan, Edinburgh Lesen Sie hier die jüngste Geschichte aus unserer Reihe The Story Behind®: Eine Frage der Proportionen Aus der Sicht eines Schmerzgeplagten hat der Schmerz eine simple, wenn auch unangenehme, Funktion: Es ist das Signal, dass etwas nicht stimmt. Krankheit, Trauma oder übermäßiger Verschleiß... sie offenbaren sich in vertrautem Schmerz, einem Stich oder auch in unsäglicher Pein. Tatsächlich ist der Schmerz am wenigsten zu ertragen, der ohne ersichtlichen Grund daherkommt; irgendwie scheint das Gefühl, der Schmerz habe doch seinen Zweck, es dem Verstand zu erlauben, eine gewisse Kontrolle über diesen Ansturm der Empfindungen zu erlangen. Wenn wir sagen „Da stimmt etwas nicht.“, meinen wir für gewöhnlich, dass etwas aus dem Lot geraten ist, es ist nicht normal ... Es ist herausgerückt aus dem Zentrum einer Harmonie, in dem ansonsten Friede und Ruhe herrscht. Auch dieses Schmerzding hat etwas Unverhältnismäßiges, Disproportioniertes an sich, etwas, das herausragt, uns stolpern lässt, wie ein Stein auf einer Straße. Demgegenüber verbinden wir Harmonie in den Proportionen (insbesondere beim menschlichen Körper) mit Gesundheit und Glück. Seit den Tagen von Pythagoras, vor 2.500 Jahren, haben sich die Gelehrten um die Proportionen bemüht – das Verhältnis, die Ratio –, die Schmerzen oder auch Vergnügen verursachen kann. Selbst das Wort rational, vernünftig, findet seinen Ursprung in dem lateinischen Wort ratio. Der goldene Schnitt (1,618033988), die proportio divina, schmeichelt dem Auge. Man entdeckt sie in vielen Kulturen, in Leonardo da Vincis vitruvianischem Menschen (Abbildung), aber auch in der Architektur einer Moschee. Wissenschaftliche Gleichungen beschreiben von der interstellaren Strahlung bis zum subatomaren Spin vieles in proportionalen Kennzahlen. Die Fibonacci-Folge natürlicher Zahlen findet sich in Naturphänomenen von dem geometrischen Wachstum der Pflanzen bis hin zum genetischen Erbmaterial des Menschen. Aber es gibt auch eine „Ratio“, die garantiert für Schmerzen sorgt, sie spielt in der traditionellen Kultur der westlichen Welt eine Rolle. Im Mittelalter wurde sie dem Teufel zugeschrieben, und wurde gemieden, wann immer sie zu entstehen drohte. Sie wiederzugeben, war bis vor kurzem unter Berufskollegen, aber auch im Publikum, verpönt, ein Fauxpas, der eine ernste Rüge zur Folge haben konnte. Aber wie der Schmerz hat sie auch ihr Gutes. Ist es? 1,40625…, 0,00729… oder 2,71828…? Senden Sie uns Ihre Antwort über und gewinnen Sie ein Buch über Medizingeschichte mit Autorensignatur! Zum aktiven Rätsel und unserem Rätselarchiv gelangen Sie hier. Bild Copyright: Luc Viator/www.Lucnix.be Autor: Michael Kaplan m.s.e.kaplan@btinternet.com aus connexi 2-2017 Schmerz- und Palliativmedizin Deutscher Schmerzkongress 2016 Kongressbericht