REVIEW
Anja Lamprecht
Antikoagulation bei Niereninsuffizienz und Vorhofflimmernvon Matthias Leschke, Esslingen Nach aktuellen Schätzungen muss davon ausgegangen werden, dass 8–15 % der Weltbevölkerung eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) aufweisen. Die Einteilung der CKD erfolgt entsprechend der errechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) in die Stadien G1–G5 [1] (Abbildung 1). Bereits bei einer geringen Einschränkung der Nierenfunktion haben die Patienten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. In einer großen Population US-amerikanischer Versicherungsmitglieder wurde der Zusammenhang zwischen der Nierenfunktion und dem individuellen kardiovaskulären Risiko untersucht. Wenn man die kardiovaskuläre Ereignisrate von Patienten mit einer GFR ≥60 ml/min mit 1 einstuft, war das kardiovaskuläre Ereignisrisiko in dieser Analyse bei einer GFR von 30–44 ml/min um den Faktor 2, bei 15–29 ml/min um den Faktor 2,8 und bei einer GFR von <15 ml/min um den Faktor 3,4 erhöht [2]. Weltweit haben Dialysepatienten eine jährliche Mortalität von 17 % (United States Renal Data System; USRDS). Das Risiko für die Prävalenz von Vorhofflimmern steigt mit zunehmender Nierenfunktionseinschränkung überproportional an. Parallel dazu nimmt auch das Risiko der mit einem Vorhofflimmern assoziierten kardiovaskulären Komorbiditäten zu, insbesondere das Schlaganfallrisiko. Aus Daten der DOPP-Studie (Dialysis Outcome and Practice Patterns Study) geht hervor, dass die Prävalenz von Vorhofflimmern bei Dialysepatienten 16 % beträgt und mit zunehmender Dialysedauer weiter ansteigt [3]. Bisher wurden Patienten mit fortgeschrittener Nierenfunktionseinschränkung und Vorhofflimmern aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos und der komplexen Komorbiditäten von klinischen Antikoagulationsstudien meist ausgeschlossen. In einer aktuellen Arbeit wurde bei mehr als 100.000 CKD-Patienten, die bei Studieneintritt weder Vorhofflimmern hatten noch dialysepflichtig waren, die Prävalenz eines neu auftretenden Vorhofflimmerns über einen Zeitraum von vier Jahren erfasst. Bei 12 % der Patienten, oder 3,2 % pro Patientenjahr, wurde Vorhofflimmern beobachtet. Ihr Schlaganfallrisiko war deutlich erhöht. So fanden sich pro Jahr 5,4 % Schlaganfälle bei Patienten mit Vorhofflimmern, aber lediglich 1,7 % bei Patienten ohne Vorhofflimmern. Auch das Mortalitätsrisiko war bei Patienten mit Vorhofflimmern mit 20,4 % pro Jahr deutlich höher als bei Patienten ohne Vorhofflimmern mit 6,8 % [4]. Das Schlaganfallrisiko steigt mit zunehmender Nierenfunktionseinschränkung nahezu linear von 2 % auf fast 6 % bei einer GFR <10 ml/min an [5]. Bisher wurden Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bevorzugt mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) antikoaguliert – in Deutschland mit Phenprocoumon, weltweit überwiegend mit Warfarin. In einer großen kanadischen Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei Patienten (ca. 15.000 im mittleren Alter von 66 Jahren) mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern und eingeschränkter Nierenfunktion der zusammengesetzte Endpunkt aus Mortalität, ischämischem Schlaganfall, transitorischer ischämischer Attacke über alle CKD-Stadien durch eine Warfarin-Therapie positiv beeinflusst wird [6]. Andererseits kann unter einer Antikoagulation mit VKA das Blutungsrisiko speziell bei Dialysepflichtigkeit deutlich ansteigen. So sind die Blutungsraten bei dialysepflichtigen Patienten nahezu verdoppelt [7] (Tabelle 1). Zur Risikostratifizierung thromboembolischer Ereignisse [8] dient bei Patienten mit Vorhofflimmern der CHA2DS2-VASc-Score (Tabelle 2), der das jährliche Risiko eines Schlaganfalls mittels klinischer Einflussgrößen und definierter Komorbiditäten abschätzt (Tabelle 3). So sollen Männer mit einem Score von ≥2 und Frauen mit einem Score ≥3 obligat antikoaguliert werden. Bei einem Score von 1 bei Männern und von 2 bei Frauen soll eine Antikoagulation bevorzugt mit einem NOAC (new oral anticoagulant) in Abhängigkeit des Blutungsrisiko bereits erwogen werden. Die bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung erhöhten thromboembolischen Ereignisraten, aber auch die erhöhten Blutungsraten werden auf Koagulopathien und urämische Thrombozytopathien zurückgeführt, so dass Stellenwert und Aussagekraft des CHA2DS2-VASc-Scores bei niereninsuffizienten Patienten nicht validiert sind. Für Dialysepatienten mit Vorhofflimmern fehlen prospektive Daten zur Antikoagulation. Bei kontroverser Datenlage zur Antikoagulation mit Cumarinen hat die Arbeitsgemeinschaft Herz und Niere der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) keine Empfehlung zur Antikoagulation mit Cumarinen bei Dialysepatienten mit Vorhofflimmern gegeben, sondern stattdessen für einen eher zurückhaltenden Einsatz plädiert [9]. Diese Einschätzung wird durch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016 unterstützt, in der untersucht wurde, inwieweit eine Antikoagulation mit Warfarin bei Dialysepatienten überhaupt einen ischämischen Schlaganfall verhindern kann. Dabei führte Warfarin bei 56.146 Dialysepatienten zu keiner Reduktion von ischämischen Schlaganfällen, aber zu einer signifikanten Zunahme von Blutungen um 20 %. Die Mortalität wurde durch die Warfarin-Therapie nicht beeinflusst [10]. Aufgrund neuer Studiendaten zu den NOACs bei niereninsuffizienten Patienten mit Vorhofflimmern hat sich der Stellenwert deutlich zu Gunsten einer NOAC-Therapie gegenüber VKA verschoben. Für diese Entwicklung sind auch aktuelle Erkenntnisse über eine negative Beeinflussung der Nierenfunktion durch VKA verantwortlich.Dosierung von NOACs in Abhängigkeit der Nierenfunktion Die Entscheidung über eine Antikoagulation bei Vorhofflimmern und eingeschränkter Niereninsuffizienz beruht auf der korrekten Beurteilung der Nierenfunktion, wobei eine stabile Nierenfunktion vorausgesetzt wird. Die Nierenfunktion sollte wie in den Zulassungsstudien der NOACs mit der Bestimmung der Kreatininclearance nach der Cockcroft-Gault-Formel ermittelt werden. Abbildung 2 führt die Dosierungen der vier zugelassenen NOAC-Präparate in Abhängigkeit von der Kreatininclearance auf [11]. Alle vier NOACs werden zumindest teilweise über die Niere eliminiert, Dabigatran zu 80 % und Edoxaban, Rivaroxaban sowie Apixaban zu 50 %, 35 % bzw. 27 %. Abbildung 2: Dosierung der neuen oralen Antikoagulantien in Abhängigkeit der Nierenfunktion (modifiziert nach [11]). 2x100 mg Dabigatran bei erhöhtem Blutungsrisiko. 2x2,5 mg Apixaban, wenn zwei der drei nachfolgenden Kriterien erfüllt sind: Alter >80 Jahren, Gewicht ≤60 kg, Kreatinin ≥1,5 mg/dl (133 µmol/l). Gelbe Pfeile weisen auf einen vorsichtigen Einsatz hin: Dabigatran bei moderater Niereninsuffizienz, Faktor-Xa-Inhibitoren bei einer Kreatininclearance von 15–30 ml/min und Edoxaban bei einer Kreatininclearance ≥90 ml/min. Bei eingeschränkter Nierenfunktion (≤60 ml/min) sollte eine engmaschigere Kreatininbestimmung erfolgen. (Die Kreatininclearance sollte durch 10 geteilt werden. Das Ergebnis entspricht dem Mindestintervall der Kontrollen in Monaten.) Liegen weitere Risikofaktoren wie Frailty, höheres Alter, Komorbiditäten, interkurrente Infekte und dekompensierte Herzinsuffizienz vor, sollten die Kontrollen der Nierenfunktion in kürzeren Intervallen erfolgen. Eine der Nierenfunktion angepasste und korrekte Dosierung ist notwendig, um die gewünschte Prävention von thromboembolischen Ereignissen zu erreichen. Eine Überdosierung erhöht das Blutungsrisiko, eine Unterdosierung führt zu einer ineffektiven Prävention thromboembolischer Ereignisse. In einer großen Datenanalyse mit mehr als 14.000 Patienten mit Vorhofflimmern gingen Yao et al. [12] dem Problem der korrekten Dosierung der NOACs Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban bei CKD über einen Zeitraum von fünf Jahren nach. Von diesen Patienten wiesen 1.473 eine renale Indikation zur Dosisreduktion auf, bei 43 % der Patienten unterblieb diese Dosisreduktion. Sie waren damit überdosiert und hatten ein 2,19-fach höheres Blutungsrisiko. Das Schlaganfallrisiko war mit den korrekt dosierten Patienten vergleichbar. 13.392 Patienten wiesen keine Indikation für eine renale Dosisreduktion auf, dennoch erfolgte bei 13,3 % eine Dosisreduktion. Damit lag bei diesen Patienten eine Unterdosierung vor, die im Fall von Apixaban zu einem 4,87-fach höheren Schlaganfallrisiko führte, ohne dass sich das Blutungsrisiko von den korrekt dosierten Patienten unterschied. Bei den mit Rivaroxaban und Dabigatran unterdosierten Patienten kam es interessanterweise nicht zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko. In den Zulassungsstudien galt eine Kreatininclearance <30 ml/min bei Dabigatran, Rivaroxaban sowie Edoxaban und <25 ml/min bei Apixaban als Ausschlusskriterium. Die Effektivität und Sicherheit der NOACs bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz sind nicht ganz geklärt. Lediglich für Apixaban besteht in den USA, aber nicht in Europa, eine Zulassung in einer Dosierung von 2x5 mg bei stabiler dialysepflichtiger Niereninsuffizienz, wobei in dieser Dosierung erhöhte Plasmaspiegel vorliegen. Vergleichbare Plasmaspiegel wie bei normaler Nierenfunktion fanden sich bei Dialysepatienten für Apixaban bei 2x2,5 mg, für Edoxaban bei 15 mg einmal täglich und für Rivaroxaban bei 10 mg einmal täglich. Diese Ergebnisse entstammen jedoch nur kleineren Fallserien. Solange keine prospektiven Daten mit klinischen Endpunkten vorliegen, handelt es sich um eine Off-Label-Therapie. In Tabelle 4 sind die wichtigsten pharmakokinetischen Daten zum Einsatz von Antikoagulantien bei der Niereninsuffizienz zusammengefasst [13]. Beeinflussung der Progression der Niereninsuffizienz durch Antikoagulantien Sowohl in der RELY (Randomized evaluation of long-term anticoagulant therapy) als auch in der ROCKET-AF (Rivaroxaban-once daily, oral, direct factor Xa inhibition compared with vitamin K antagonism for prevention of stroke and embolism trial in atrial fibrillation)-Studie wurde beobachtet [14, 15], dass im Vergleich zu Warfarin Dabigatran und Rivaroxaban zu einer geringeren Abnahme der Nierenfunktion führen. Der nephrotoxische Effekt der VKA wird auf eine verstärkte renovaskuläre Kalzifikation infolge einer Hemmung der Vitamin-K-abhängigen Kalzifikationsinhibitoren zurückgeführt. In einer aktuellen Arbeit wurde untersucht, welchen Einfluss die Antikoagulantien Warfarin, Apixaban, Dabigatran und Rivaroxaban auf renale Endpunkte, wie eine mehr als 30%ige Abnahme der GFR, eine Verdopplung des Kreatinins, die Entwicklung eines akuten Nierenversagens und insgesamt einer Niereninsuffizienz während einer Beobachtungsperiode von 66 Monaten bei 9.769 Patienten mit Vorhofflimmern hat. Die Einnahme von Warfarin wurde als Referenz 1 gewertet. Gegenüber Warfarin fand sich bei den drei NOACs ein deutlicher Rückgang renaler Endpunkte, wobei sich zwischen den NOACs ebenfalls Unterschiede ergaben. Wenn Dabigatran und Rivaroxaban jeweils mit Warfarin verglichen werden, zeigte sich unter beiden Substanzen jeweils ein geringeres Risiko einer mehr als 30%igen Abnahme der Filtrationsrate, einer Verdopplung des Kreatinins und der Entwicklung einer Niereninsuffizienz. Dieser Effekt war unter Rivaroxaban am ausgeprägtsten, wohingegen Apixaban den geringsten nephroprotektiven Effekt zeigte. Als mögliche Erklärung für diese nephroprotektiven Eigenschaften führen die Autoren [16], neben den negativen Effekten auf die arteriosklerotische Plaquebildung und die verstärkte vaskuläre Kalzifikation durch VKA, einen antiinflammatorischen Effekt der NOACs an. Daher sollten bei niereninsuffizienten Patienten, solange noch nicht das Stadium der Dialysepflichtigkeit erreicht ist, bevorzugt NOACs eingesetzt werden. Die Blutungsraten waren unter den NOACs im Vergleich zu Warfarin geringer – insbesondere bei geringer bis moderater Niereninsuffizienz. Diese Beobachtung konnte in einer großen systematischen Übersichtsarbeit mit über 13.000 Patienten mit Vorhofflimmern und einer moderaten Nierenfunktionseinschränkung bestätigt werden. Auch in dieser Analyse erwiesen sich die NOACs hinsichtlich Effektivität und Blutungsereignissen dem Warfarin als überlegen [17]. Eine besondere Rolle in der Pathogenese spielen Inhibitoren der vaskulären Kalzifizierung, insbesondere das Matrix-Gla-Protein (MGP), welches durch einen Vitamin-K-abhängigen Phosphorylierungsprozess aktiviert wird. Vitamin-K-Antagonisten beschleunigen damit die Gefäßkalzifikation. In seltenen Fällen kann es bei Dialysepatienten unter einer VKA-Therapie zu einer lebensbedrohlichen Calciphylaxie kommen [18]. Subgruppenanalysen aus klinischen Studien deuten darauf hin, dass bei CKD-Patienten im Vergleich zu Patienten mit normaler Nierenfunktion eine INR >3 mit einem erhöhten Risiko eines Nierenversagens verbunden ist. Histologisch zeigten sich bei diesen Patienten rezidivierende Einblutungen in das Tubulussystem mit nachfolgender Tubulusnekrose [19]. Wenn VKA demnach keine optimale Behandlungsstrategie bei CKD-Patienten sind und eine manifeste Niereninsuffizienz eine absolute Kontraindikation in der Zulassung für Phenprocoumon ist, stellt sich umso mehr die Frage, inwieweit aktuelle Daten den NOACs bei der Antikoagulation speziell bei fortgeschrittener und dialysepflichtiger Niereninsuffizienz bereits einen relevanten therapeutischen Stellenwert einräumen. NOACs bei terminaler Niereninsuffizienz Seit der Zulassung von Apixaban zur Antikoagulation bei terminaler Niereninsuffizienz (end stage renal disease; ESRD) und Vorhofflimmern in den USA 2012 ist es zu einer steigenden Zahl an Neuverordnungen von Apixaban (26,6 % im Jahr 2015) auf Kosten von Warfarin gekommen [20]. In einer retrospektiven Kohortenstudie bei 25.523 Patienten mit ESRD und Vorhofflimmern wurden 2.351 gematchte Patienten unter Apixaban mit 23.172 Patienten unter Warfarin bezüglich Schlaganfällen und Blutungen verglichen [21]. Dabei ergab sich kein Unterschied im Schlaganfall- bzw. Embolie-Risiko zwischen Apixaban und Warfarin, aber es kam unter Apixaban zu signifikant weniger Blutungen. In der Dosierung von 2x5 mg Apixaban ereigneten sich signifikant weniger Schlaganfälle, systemische Embolien und Todesfälle als in der reduzierten Dosierung von 2x2,5 mg. Obwohl die Aussagekraft dieser Studie aufgrund des retrospektiven Designs dieser Kohortenstudie und methodischer Schwächen – unter anderem wurde die Antikoagulation in beiden Gruppen über teilweise mehr als 30 Tage zwischenzeitlich ausgesetzt – begrenzt ist, empfiehlt ein Update der Leitlinien der American Heart Association aus dem Jahr 2019 mit einer Evidenz IIb ab einem CHA2DS2-VASc-Score von ≥2 eine Antikoagulation mit Warfarin oder Apixaban [21]. In einer retrospektiven Analyse bei CKD-Patienten im Stadium 4 und 5 (also auch Dialysepatienten) mit Vorhofflimmern wurden 1.896 Patienten unter Rivaroxaban (38,7 % mit einer Dosis <20 mg) mit 4.848 Patienten unter Warfarin verglichen. Im Vergleich zu Warfarin zeigte sich unter Rivaroxaban eine nichtsignifikante Abnahme an ischämischen Schlaganfällen und systemischen Embolien bei signifikanter Reduktion des Blutungsrisikos [22]. In einer systematischen Metaanalyse aus dem Jahr 2019 wurde der grundsätzliche Einsatz von Antikoagulantien bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz hinsichtlich Effektivität und Blutungsrisiko untersucht. In dieser Studie wurden 45 Studien mit 34.082 Patienten ausgewertet, davon elf Studien zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern und elf Studien bei venöser Thrombose, sechs Studien zur Thromboseprophylaxe, acht Studien zur Prävention von Shunt-Thrombosen und neun Studien zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse mit Ausschluss von Vorhofflimmern. Danach reduzierten NOACs im Vergleich zu VKA das Risiko eines Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie auf ein relatives Risiko (RR) von 0,79 bzw. eines hämorrhagischen Schlaganfalls auf RR 0,48. Das Risiko schwerwiegender Blutungen wurde unter NOACs gegenüber VKA ebenfalls um 25 % gesenkt (RR 0,75). Die Autoren empfahlen daher bis zu einer Kreatininclearance von 30 ml/min bevorzugt den Einsatz von NOACs [23].Fazit In Anbetracht dieser nicht immer eindeutigen Datenlage wird bei einer Niereninsuffizienz im Stadium G4 und einer Kreatininclearance von >25–30 ml/min der präferenzielle Einsatz von NOACs bei Vorhofflimmern empfohlen (Abbildung 2). Hierbei sind Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban in reduzierter Dosierung aufgrund der geringeren Akkumulation bei chronischer Niereninsuffizienz überlegen. Abk.: RCT, randomisierte kontrollierte Studie; NOACs, neue orale Antikoagulanzien; VKA, Vitamin-K-Antagonisten; 5D, Dialysepatienten*Die existierenden Scores sind für diesen Zweck nicht validiert. **Siehe auch Abbildung 2.Abbildung 3: Vorgeschlagener therapeutischer Ansatz zur Schlaganfall- und Thromboseprophylaxe bei Patienten mit begleitender chronischer Nierenerkrankung und Vorhofflimmern (modifiziert nach [25]). Auf eine korrekte Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz ist zu achten, da eine Unterdosierung formal mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergeht. Für Patienten mit einer Niereninsuffizienz im Stadium G4 und einer Kreatininclearance <25 ml/min sind Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban in reduzierter Dosis laut Fachinformation bis 15 ml/min möglich. Für Dialysepatienten existieren keine prospektiven Daten zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern. Da Dialysepatienten meist kardiovaskuläre Komorbiditäten haben und dadurch einen in der Regel hohen CHA2DS2-VASc-Score aufweisen, empfiehlt sich entsprechend den amerikanischen Leitlinien am ehesten eine Antikoagulation mit Apixaban in reduzierter Dosierung von 2x2,5 mg, auch wenn die Evidenz (IIb) gegenüber dem Einsatz eines VKA vergleichsweise schwach ist. Aufgrund der verstärkten vaskulären Kalzifikationen und potenzieller Tubuluseinblutungen ist der Einsatz von VKA insbesondere bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz eher nachteilig. Eine zurückhaltende, auf eine Antikoagulation gänzlich verzichtende Therapieempfehlung ist allenfalls bei sehr niedrigem CHA2DS2-VASc-Score zu rechtfertigen. Als eine in der klinischen Praxis hervorragende Alternative zur Antikoagulation von Patienten mit Vorhofflimmern und fortgeschrittener Niereninsuffizienz hat sich dagegen die Implantation eines LAA (Left Atrial Appendage)-Okkluders erwiesen (IIb) [21]. In Anbetracht des hohen Blutungsrisikos bei zugleich sehr hohem Thromboembolierisiko von niereninsuffizienten Patienten stellt die interventionelle Implantation eines LAA-Okkluders eine langfristig exzellente nichtpharmakologische Therapieoption zur Prävention eines ischämischen Insultes dar. ReferenzenGroup KDIGOKCW. KDIGO 2012 Clinical practice guideline fort he evaluation and management of chronic kidney disease. Kidney Int 2013; Suppl.: 1–150.Go AS, Chertow GM, Fan D et al. Chronic kidney disease and the risks of death, cardiovascular events, and hospitalization. New Engl J Med 2003; 351: 1296–305.Wizemann V, Tong L, Satayathum S et al. Atrial fibrillation in hemodialysis patients: clinical features and associations with anticoagulant therapy. Kidney Int 2010; 77: 1098–106.Carrero J J, Trevisan M, Sood MM et al. Incident atrial fibrillation and the risk of stroke in adults with chronic kidney disease: The Stockholm CREAtinine measurements (SCREAM) project. 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