Omega 3-Fettsäuren

Fettsäureanalytik: Doch bedeutend von Clemens von Schacky, München  Ernährungsleitlinien basieren wesentlich auf Daten aus Ernährungsfragebögen, die häufig aus dem Gedächtnis beantwortet werden. Diese Daten werden mit Referenztabellen zu Inhaltsstoffen ausgewertet, wobei für Fettsäuren eine Nomenklatur verwendet wird, die Gruppen von Fettsäuren unterscheidet („gesättigte“, „einfach ungesättigte“ usw.). Neuere derart erhobene Daten, zum Beispiel aus der PURE-Studie, haben verbreitete Ernährungsleitlinien in Frage gestellt [1]. Allerdings ist die PURE-Studie selbst wieder in Frage gestellt worden [2].  Ernährungsfragebögen sind methodisch bedingt unsicher. Bei einer Plausibilitätskontrolle von so erhobenen Daten waren nur etwa 50 % plausibel – obwohl eine der etabliertesten Ernährungsstudien der Welt, die NHANES-Studie (National Health and Nutrition Examination Survey in den USA), dieser Kontrolle unterzogen wurde [3]. Die Plausibilität der Daten anderer Ernährungsstudien mit gleicher Methodik dürfte ähnlich sein. Kritisch muss man fragen dürfen, welchen Wert Daten besitzen, die nur zu 50 % plausibel sind. Die angesprochenen Referenztabellen enthalten Daten, die teilweise älter sind, und nicht berücksichtigen, dass der Gehalt an Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) zum Beispiel von Zuchtlachs zwischen 2006 und 2015 halbiert wurde [4].  Unterschiede in Struktur, Biologie und Metabolismus Individuelle Fettsäuren haben eine individuelle chemische Struktur, die sich auch in jeweils individuellem zwei- und dreidimensionalem Aufbau ausdrückt. Manche Fettsäuren, wie die Omega 3-Fettsäure Alpha-Linolensäure gehen vor allem in den Energiestoffwechsel ein, andere Omega 3-Fettsäuren wie EPA oder DHA werden in die Zellmembran eingebaut und sind Ausgangssubstanzen für zahlreiche biologisch aktive Metabolite [5, 6]. Unterschiede in Struktur, Biologie und Metabolismus bedeuten auch Unterschiede bei der Prognose: Verwendet man eine standardisierte Fettsäureanalytik von Erythrozyten (HS-Omega 3-Index®) und setzt die Ergebnisse in Beziehung zum Zehn-Jahres-Überleben im Rahmen der LURIC-Studie, so sieht man, dass individuelle Fettsäuren mit Gesamtmortalität positiv oder negativ assoziiert sind. Als Beispiel seien die gesättigten Fettsäuren genannt, von denen die Palmitinsäure (C16: 0) positiv mit Gesamtmortalität assoziiert war, während für alle anderen gesättigten Fettsäuren keine Assoziation gefunden wurde [7]. Ähnlich unterschiedliche Ergebnisse fanden sich für andere Fettsäuregruppen wie z. B. bei den Omega 3-Fettsäuren, von denen EPA und DHA invers mit Gesamtmortalität assoziiert waren, während für Alpha-Linolensäure dies nur bei Frauen der Fall war, und die Omega 3-Docosapentaen­säure nicht mit Gesamtmortalität assoziiert war [8]. Ähnliche Ergebnisse fanden sich bei anderen Fettsäuregruppen. Die Unterschiede bei Struktur, Biologie, Metabolismus und Prognose machen es nun unmöglich, die konventionelle Nomenklatur von Fettsäure-Gruppen aufrechtzuerhalten. Als Konsequenz müssen Forschungsansätze und -ergebnisse, die diese Nomenklatur verwenden, ebenso zurückgewiesen werden, wie darauf basierende Leitlinien. Fettsäuren müssen in vielen Fällen neu und differenzierter erforscht werden.  Datenlage bei den kardiovaskulären Effekten Daten aus dieser standardisierten Fettsäureanalytik konnten auch die verwirrende Datenlage bei den kardiovaskulären Effekten der Omega 3-Fettsäuren klären. In den drei bekannten epidemiologischen Studien (LURIC, Women’s Health Initiative und Framingham) waren höhere Spiegel von EPA und DHA (Omega 3-Index) invers mit Gesamtmortalität sowie mit kardiovaskulärer Mortalität assoziiert [8–10]. Nicht tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle waren in der Framingham-Studie ebenfalls invers mit dem Omega 3-Index assoziiert [10]. Ein Anheben des Omega 3-Index besserte kardiovaskuläre Risikofaktoren oder -marker wie Blutdruck, Herzfrequenz und -variabilität, Triglyzeride, Endothelfunktion, inflammatorische Biomarker und andere Surrogatparameter [11]. Auch Intermediärparameter wie koronare Läsionen oder Remodelling nach Myokardinfarkt wurden so gebessert [11, 12]. Trotzdem waren viele große Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten und zahlreiche Metaanalysen nicht positiv, so auch eine aktuelle Cochrane-Metaanalyse [13]. Dafür dürften Aspekte des Studiendesigns entscheidend gewesen sein.In den meisten Studien wurden die Teilnehmer angehalten, ihre Studienkapseln zum Frühstück einzunehmen, in vielen Ländern eine fettarme Mahlzeit, was die Bioverfügbarkeit minimiert [11, 14]. Die Aufnahme von zugeführter EPA und DHA ist von Person zu Person sehr variabel [11, 14]. Teilnehmer wurden ohne Ansehen ihrer Ausgangsspiegel rekrutiert [11, 14]. In der Summe führte dies zu einem geringen Anstieg des Omega 3-Index in den Verumgruppen, und einem hochgradigen Überlappen der Omega 3-Indexwerte zwischen Verum- und Placebogruppen, wie in ASCEND und Vital gemessen [15, 16]. Da die klinischen Effekte mit dem Omega 3-Index korrelieren, konnte ein therapeutischer Effekt nicht erkannt werden [11, 14]. Interventionsstudien, die die angesprochenen methodischen Probleme zufällig umgingen, waren positiv: Der Verzicht auf den Zwang, die Omega 3-Kapsel morgens einzunehmen, brachte ein positives Ergebnis [17]. Eine hohe Dosis hebt den Omega 3-Index in der Verumgruppe stärker an, und trennt ihn so besser vom Omega 3-Index in der Placebogruppe [18, 19]. Für Patienten mit Herzinsuffizienz ist ein niedriger Ausgangs-Omega 3-Index charakteristisch, was die Omega 3-Indexwerte ebenfalls besser trennte [20–22]. Die Bioverfügbarkeit von Omega 3-Fettsäuren in Fisch, der üblicherweise mit der Hauptmahlzeit verzehrt wird, ist gut, was ein weiteres positives Studienresultat erklärt [23]. Eine Metaanalyse der Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten ohne die genannten Fehler im Studiendesign wäre positiv, würde aber nicht den Cochrane-Anforderungen genügen. Basierend auf einer Gesamtschau der vorliegenden Evidenz, und nicht nur einer Cochrane-Analyse, empfehlen American Heart Association und European Society for Cardiology EPA und DHA, insbesondere in Fisch, zur Sekundärprävention, zur kardiovaskulären Prävention und zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion [24–26]. In den Leitlinien wird allerdings keine Dosis empfohlen, weshalb wir empfehlen, EPA und DHA individuell so zu dosieren, dass der Zielbereich für den HS-Omega 3-Index von 8–11 % erreicht wird. Da die Verträglichkeit von EPA und DHA auf dem Niveau von Placebo ist und beim angegebenen Zielbereich keine unerwünschten Effekte, wie etwa eine Blutungsneigung, zu erwarten sind, das heißt dem Nutzen von EPA und DHA kein Risiko gegenübersteht, sollte die Indikation leichtfallen. Das wird dadurch unterstützt, dass die European Food Safety Authority eine Dosierung von EPA und DHA von bis zu 5 g/Tag für sicher hält [27]. Fazit So hat die standardisierte Fettsäureanalytik mit dem HS-Omega 3-Index erkennen lassen, welche Rolle die Omega 3-Fettsäuren in der kardiovaskulären Prävention haben. Zudem hat die Methodik wesentlich dazu beigetragen, die konventionelle Nomenklatur der Fettsäuren in Frage zu stellen, und klargemacht, dass ein Neubeginn der Forschung mit einer differenzierteren Nomenklatur erforderlich ist. Zum Verständnis der Rolle der Omega 3-Fettsäuren in anderen Themengebieten, wie der Kognition, Schwangerschaft, Sport, Psychiatrie und weiteren, wurden ebenfalls wesentliche Beiträge geliefert. Gemeinsam mit dieser umfangreichen Datenlage macht die Standardisierung es möglich und dringlich, dass diese Fettsäureanalytik Eingang in die klinische Routine erhält.      ReferenzenDehghan M, Mente A, Zhang X et al. Prospective Urban Rural Epidemiology (PURE) study investigators. Associations of fats and carbohydrate intake with cardiovascular disease and mortality in 18 countries from five continents (PURE): a prospective cohort study. Lancet 2017; 390(10107): 2050–62.Archer E, Lavie CJ. Is the PURE study pure fiction? Eur Heart J 2019; 40: 394.Archer E, Hand GA, Blair SN. Validity of U.S. nutritional surveillance: National Health and Nutrition Examination Survey caloric energy intake data, 1971–2010. PLoS One 2013; 8: e76632.Sprague M, Dick JR, Tocher DR. 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Clemens von Schackyclemens.vonschacky@med.uni-muenchen.de                 aus connexi  7-2019 NEPHROLOGIEHYPERTENSIOLOGIEDIALYSETRANSPLANTATIONBIOMARKER der kardiorenalen AchseKongressberichte       Titelbild Copyright: Science Photo Library / Jose Calvo, Fotolia / Janis Smits. Gestaltung: Jens Vogelsang      
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