Nierenerkrankungen

Eine Epidemie im Verborgenen Die weltweite Bedeutung der Nierenerkrankungen wird bislang unterschätzt. Die meisten Betroffenen sind sich ihrer eingeschränkten Nierenfunktion nicht bewusst. Im Allgemeinen sind Nierenerkrankungen „stumme Erkrankungen“, es gibt keine offensichtlichen Frühsymptome. Viele Patienten mit Nierenerkrankungen wissen nicht, dass sie nicht nur mit dem hohen Risiko des Nierenversagens leben, das zur Dialyse oder Transplantationen führen kann, sondern auch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten und Krankenhausaufenthalten.Nierenerkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten weltweit. Dennoch spielen sie bisher keine große Rolle bei den meisten Kampagnen zur Gesundheitsförderung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Dies sei jedoch völlig ungerechtfertigt, erklärten die Professoren David Harris und Adeera Levin, Präsident und ehemalige Präsidentin der International Society of Nephrology (ISN) auf dem ERA-EDTA-Kongress in Budapest. Nach Angaben der ERA-EDTA (European Dialysis and Transplant Association) leiden weltweit über 850 Millionen Menschen an einer Nierenerkrankung. Das sind etwa doppelt so viele Menschen als es Patienten mit Diabetes mellitus (422 Millionen) gibt [1] oder etwa 20-mal mehr als die weltweite Krebsprävalenz (42 Millionen) [2] oder Menschen mit AIDS/HIV (36,7 Millionen) [3]. Es sei höchste Zeit, Nierenerkrankungen in den Fokus zu rücken.  Wachsende Anzahl nierenkranker Patienten Die häufigste Form der Nierenerkrankung, die chronische Nierenerkrankung (CKD), hat eine geschätzte weltweite Prävalenz von etwa 10,4 % bei Männern und 11,8 % bei Frauen [4]. Zwischen 5,3 und 10,5 Millionen Menschen benötigen eine Dialyse oder eine Transplantation. Viele versterben, weil sie diese Behandlungen aufgrund fehlender Ressourcen oder aus finanziellen Gründen nicht erhalten [5, 6]. Etwa 13,3 Millionen erleiden jährlich ein akutes Nierenversagen. Verwende man all diese Datenquellen und bestehenden Schätzungen akuter und chronischer Nierenerkrankungen, so komme man auf etwa 850 Millionen Nieren­patienten, „Eine Zahl, die sicherlich weltweit einer „Epidemie“ gleichkommt“, sagte Levin. Doch nicht nur die Zahl sei dramatisch hoch, sondern auch die Folgen: „Auch wenn sich viele Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion über einen längeren Zeitraum nicht krank fühlen, haben sie aufgrund ihrer Nierenerkrankung doch ein besonders hohes gesundheitliches Risiko für viele Folgeerkrankungen“, betonte Professor Carmine Zoccali, ehemaliger Präsident der ERA-EDTA. Die durchschnittliche standardisierte Mortalitätsrate aufgrund einer niedrigen Nierenfunktion (GFR) liegt bei 21 Todesfällen pro 100.000 [4, 6]. Insbesondere die Zahl der kardiovaskulären Todesfälle durch CKD sei enorm: 2013 wurden 1,2 Millionen kardiovaskuläre Todesfälle auf die CKD zurückgeführt [6]. „Die Mortalitätsrate bei CKD ist unglaublich hoch!“, so Zoccali. AIDS hingegen verursache nur 1,9 Todesfälle pro 100.000 [7] – aber aufgrund der effektiven Kampagnen gegen HIV würde es als vorrangiges Gesundheitsproblem anerkannt. Auf der anderen Seite gäbe es kaum Kampagnen gegen den Nierentod, obwohl die Zahl der Menschen, die aufgrund von Nierenerkrankungen versterben, elfmal höher sei. Zeit für einen konstruktiven Wandel Es sei an der Zeit für einen konstruktiven Wandel, bestätigte Professor Mark D. Okusa, Präsident der American Society of Nephrology (ASN): „Die Zahl der Nierenpatienten ist alarmierend hoch, aber die Öffentlichkeit ist sich dieser Tatsache nicht bewusst. Die Patienten haben ein schlechtes Outcome und nicht zuletzt belasten Nierenerkrankungen die Gesundheitsbudgets schwer.“ Die Kosten für eine Hämodialyse betragen in Deutschland etwa 40.000 Euro pro Jahr. ASN, ERA-EDTA und ISN arbeiten inzwischen zusammen, um das Bewusstsein für Nierenerkrankungen zu schärfen und Präventionsbemühungen zu verbessern. „Unser gemeinsames Ziel ist es, die Belastung durch Nierenerkrankungen weltweit zu reduzieren und das Bewusstsein für nephrologische Themen zu schärfen. Die aktuelle Belastung durch Nierenerkrankungen weltweit zu kommunizieren, sei nur ein erster Schritt“, so Okusa abschließend.    Redaktion: Rüdiger Zart  Quelle: ERA-EDTA; Kongress 13.–16. Juni 2019 in Budapest, Ungarn  Referenzenhttp://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/diabeteshttps://ourworldindata.org/cancerhttp://www.who.int/gho/hiv/en/GBD 2013 Mortality and Causes of Death Collaborators. Global, regional, and national age-sex specific allcause and cause-specific mortality for 240 causes of death, 1990–2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. Lancet 2015; 385(9963): 117–71.Liyanage et al. Worldwide access to treatment for end-stage kidney disease: a systematic review. Lancet 2015; 385(9981): 1975–82.GBD 2015 Mortality and Causes of Death Collaborators. Global, regional, and national life expectancy, allcause mortality, and cause-specific mortality for 249 causes of death, 1980-2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet 2016; 388(10053): 1459–544. Age-Adjusted Mortality Rate for HIV Disease – https://www.kff.org/hivaids/state-indicator/age-adjusted-hivmortalityrate/?currentTimeframe=0&sortModel=%7B%22colId%22:%22Location%22,%22sort%22:%22asc%22%7D   Bild Copyright:  Science Photo Library / Jose Calvo, Fotolia / Janis Smits             aus connexi  7-2019 NEPHROLOGIEHYPERTENSIOLOGIEDIALYSETRANSPLANTATIONBIOMARKER der kardiorenalen AchseKongressberichte       Titelbild Copyright: Science Photo Library / Jose Calvo, Fotolia / Janis Smits. Gestaltung: Jens Vogelsang     
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