Genomweite Assoziationen und Metabolomics
Anja Lamprecht
Fokus auf Homoargininvon Marcus Kleber, Mannheim Mit dem technischen Fortschritt der letzten zwei Dekaden wurden unterschiedliche Hochdurchsatzverfahren zur gleichzeitigen und kostengünstigen Bestimmung großer Mengen an Analyten möglich. Eine der ersten dieser OMICS-Technologien war das Bestimmen einer großen Anzahl an genetischen Polymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs) mittels DNA-Microarrays (genomics). Sind diese SNPs als Raster über das gesamte Genom verstreut ermöglicht das die Durchführung genomweiter Assoziationsstudien (GWAS), bei denen Hunderttausende bis Millionen von SNPs in einer großen Zahl von Individuen auf ihre Assoziation mit bestimmten Phänotypen untersucht werden. Die vielleicht erste publizierte GWAS erschien im Jahr 2002 und untersuchte ca. 100.000 SNPs auf eine mögliche Assoziation mit dem Myokardinfarkt [1]. Eine weitere Hochdurchsatztechnologie stellt die Metabolomics dar. Der Begriff Metabolomics beschreibt die Bestimmung einer Vielzahl von niedermolekularen Stoffwechselverbindungen in einem biologischen System oder Gewebe, z. B. Urin oder Blutplasma. Die Gesamtheit dieser Verbindungen, das Metabolom, besteht aus den primären und sekundären Metaboliten des endogenen Stoffwechsels (hierzu zählen u. a. Zucker, Lipide, Aminosäuren, Alkohole usw.) sowie Metaboliten aus exogenen Stoffen, die aus der Umwelt aufgenommen werden. Der wichtige Unterschied zu den vorherigen Verfahren besteht darin, dass sehr viele bekannte und unbekannte Verbindungen in einem Arbeitsgang bestimmt werden können. Die Verfahren, die dabei am häufigsten routinemäßig zum Einsatz kommen, sind die Massenspektrometrie (MS) sowie die Kernresonanzspektrometrie (nuclear magnetic resonance, NMR). Im Jahr 2007 wurde die Human Metabolome Database gegründet (www.hmdb.ca), welche in der aktuellen Version HMDB v4 Einträge für mehr als 114.100 Metaboliten enthält. Ein Jahr danach erschien die erste Publikation, welche GWAS und Metabolomics verknüpfte, eine metabolic GWAS (mGWAS) [2]. In dieser ersten Publikation von Gieger et al. wurde die Assoziation von 187.454 SNPs mit 363 Metaboliten im Serum untersucht. Die Verbindung von Genetik und Metabolomics stellt ein mächtiges Werkzeug dar, um tiefere Einblicke in die Mechanismen zu gewinnen, welche die genetische Prädisposition von Menschen mit den interindividuellen Unterschieden in der Konzentration von Metaboliten verbinden und können so auch neue pathophysiologische Wege aufdecken, die zur Entstehung von Krankheiten beitragen (Abbildung 1). Abbildung 1: Verbindung von zwei Hochdurchsatztechnologien, Genomics und Metabolomics, in Form von metabolischen genomweiten Assoziationsstudien (mGWAS) zur Aufdeckung neuer pathophysiologischer Wirkmechanismen. Laut einer Datenbank im Internet (http://www.metabolomix.com/list-of-all-published-gwas-with-metabolomics/) hat die Anzahl an Publikationen aus diesem Gebiet in den letzten Jahren zugenommen (Abbildung 2). Abbildung 2: Anzahl der mGWAS-Publikationen von 2008 bis 2018. Genetische Regulation des Homoarginins In unserer Arbeitsgruppe hat uns u. a. die genetische Regulation von Aminosäurekonzentrationen interessiert, insbesondere die des Homoarginins. Homoarginin ist eine nicht essenzielle kationische Aminosäure und unterscheidet sich von Arginin durch eine zusätzliche Methylgruppe in der Kohlenstoffseitenkette. Niedrige Blutkonzentrationen gehen mit einer deutlich gesteigerten Sterblichkeit einher [3]. In geringen Konzentrationen ist Homoarginin in vielen Körperflüssigkeiten und Organen zu finden. Die Aminosäure entsteht als Nebenprodukt bei enzymatischen Reaktionen, die Ornithin als Substrat umsetzen. Wird aufgrund mangelnder Substratspezifität anstelle von Ornithin Lysin verwendet (eine zu Ornithin homologe Aminosäure) kann Homoarginin entstehen. Lange Zeit war wenig über die tatsächlich relevanten Reaktionswege bekannt. In einer GWAS-Metaanalyse zweier großer Kohortenstudien konnten wir 2013 bereits drei Genorte identifizieren, welche genomweit signifikant mit der Konzentration von Homoarginin im Blut assoziiert waren [4]. Diese Ergebnisse konnten wir nun durch Einschluss einer höheren Zahl an Patientenproben noch erweitern (Abbildung 3). Abbildung 3: Ein Manhattan-Plot der Ergebnisse einer GWAS-Metaanalyse mit dem Phänotyp Homoarginin. Auf der Abszisse sind die Chromosomen aufgereiht, und die Ordinate zeigt den Grad der Assoziation an (negativer dekadischer Logarithmus des p-Wertes). Jeder Punkt repräsentiert einen SNP. Das stärkste Signal beobachteten wir auf Chromosom 15 beim Gen für die Glycin-Amidinotransferase, die den Transfer einer Guanidinogruppe von L-Arginin auf Glycin katalysiert und damit ein wichtiges Enzym für die Kreatinsynthese darstellt. Glycin stellt dabei nicht den einzigen mögliche Amidinakzeptor dar. Steht dem Reaktionsgemisch ausreichend Lysin zur Verfügung, erfolgt auch eine Amidinierung des Lysins zu Homoarginin. Der zweite Genort auf Chromosom 2 kodiert für die Carbamoylphosphat-Synthetase (CPS1), das geschwindigkeitsbestimmende Enzym des hepatischen Harnstoffzyklus. Verantwortlich für die Bildung von Homoarginin ist hier die Ornithin-Transcarbamylase, welche Lysin als Reaktionspartner toleriert und dann analog zum Harnstoffkreislauf zu Homoarginin metabolisiert. Des Weiteren zeigte sich auch eine signifikante Assoziation von SNPs im Gen für die Arginase1 (ARG1) mit der Homoargininkonzentration. Dieses Enzym katalysiert den letzten Schritt im Harnstoffzyklus, die Hydrolyse von Arginin zu Ornithin und Harnstoff. Fazit Die genetischen Ergebnisse zeigen, dass es zwei bedeutende Wege der Homoargininsynthese im Körper gibt, zum einen im Energiestoffwechsel (GATM), zum anderen in Harnstoffzyklus (CPS1 und ARG1). ReferenzenOzaki K, Ohnishi Y, Iida A et al. Functional SNPs in the lymphotoxin-alpha gene that are associated with susceptibility to myocardial infarction. Nat Genet 2002; 32(4): 650–4.Gieger C, Geistlinger L, Altmaier E et al. Genetics meets metabolomics: a genome-wide association study of metabolite profiles in human serum. PLOS Genetics 2008; 4(11): e1000282.Zinellu A, Paliogiannis P, Carru C et al. Homoarginine and all-cause mortality: A systematic review and meta-analysis. Eur J Clin Invest 2018; 48(8): e12960.Kleber ME, Seppala I, Pilz S et al. Genome-wide association study identifies 3 genomic loci significantly associated with serum levels of homoarginine: the AtheroRemo Consortium. Circ Cardiovasc Genet 2013; 6(5): 505–13. Bild Copyright: Shutterstock / Tartila Autor: Dr. rer. nat. Marcus Klebermarcus.kleber@medma.uni-heidelberg.de aus connexi 7-2019 NEPHROLOGIEHYPERTENSIOLOGIEDIALYSETRANSPLANTATIONBIOMARKER der kardiorenalen AchseKongressberichte Titelbild Copyright: Science Photo Library / Jose Calvo, Fotolia / Janis Smits. Gestaltung: Jens Vogelsang